Die Repression - Ein Mißverständnis?

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Doc_A
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Die Repression - Ein Mißverständnis?

Beitrag von Doc_A »

In letzter Zeit hat man gelegentlich Statements von (meist höheren/führenden) Polizeibeamten zu hören gekriegt, in denen sich die Polizei als eine Art uniformierter Sozialarbeiter darstellt, die direkt eingreift, wenn für (jugendliche) Konsumenten Gefahr droht.

"Unsere" Drogenpolitik beruht auf vier Säulen:

1. Prävention (Aufklärung)
2. Behandlung (Therapie)
3. Überlebenshilfe/Schadensminimierung
4. Angebotsreduzierung/repressive Maßnahmen

Was mich besonders stört, ist die Tatsache, daß Polizeibeamte überhaupt nicht in der Lage sind, diese Aufgabe zu erfüllen (Sozialarbeiter studieren jahrelang und machen Fortbildungen, um als Drogenstreetworker arbeiten zu können, Polizisten machen das mal so locker nebenher?) und sollten sich eigentlich auch um wichtigere Dinge kümmern. Nebenbei ist hier auch das Legalitätsprinzip kontraproduktiv.

Diese Vorgehensweise wird gelegentlich als "Generalprävention" bezeichnet. Letztendlich ist es nur der klägliche (und erfolglose) Versuch einer stumpfen Abschreckungsstrategie, bei der einzelne Opfer möglichst öffentlich gerupft werden, um so ein Klima von Angst und Denunziation zu fördern, in dem Konsum aus Angst vor Bestrafung unterbleiben soll.

Repression ist nicht Prävention. Das sind zwei verschiedene Säulen.

(Die Effektivität der Säulen und die asymmetrische Verteilung von Geldern auf die vier Säulen sind nochmal ein anderes Thema.)
:shock:
Unbegreiflich
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Re: Die Repression - Ein Mißverständnis?

Beitrag von Unbegreiflich »

@Doc_A ...

Sehr gut geschrieben.
Klar ist die Repression gescheitert und für wirkliche Prävention ist kein Geld da.

Die »Generalprävention« die du angesprochen hast ist ein schlechter Witz. Aber eben am günstigsten.
Prävention ist aber vielschichtig.
Aufklärung. Hilfestellung. Therapien. Drogenkonsumräume für Abhängige ... Usw.
Du hast vieles aufgelistet und die Liste ist noch viel länger.

Eins ist klar. Wenn Kinder und jugendliche Drogen konsumieren muss die Polizei eingreifen. Wenn ein Polizist dann versucht noch mit den Betroffenen vernünftig zu reden, begrüße ich das erst mal.
Aber Polizisten sind in der Tat keine Sozialarbeiter. Das stimmt.
Das ein Jugendlicher der mit Drogen erwischt wird später Probleme bekommen kann, zum Beispiel einen Ausbildungsplatz zu bekommen, begrüße ich nicht.

Ein Link ...
Repression gescheitert - TAZ
http://www.taz.de/!5007692/

Die Berichte der letzten Jahre vom »EMCDDA« zeigen dies sehr deutlich. (European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction)
Ich finde die Recherche dort und die Berichte immer sehr gut.
Das ist mit das beste was man Weltweit an Daten über Drogen bekommt.
Die Europäische Situation wird detailliert wiedergegeben.
Könnt ihr ja mal selbst schauen ... »European Drug Report 2015« (auch auf Deutsch) ...
http://www.emcdda.europa.eu/publication ... ments/2015

Da zeigt man uns was los ist in Europa.
Aus dem Bericht von 2013 geht folgendes hervor.

Die Niederlande haben wenige Drogentote, man hat aber auch Prävention. 45 Drogenkonsumräume in dem kleinen Land.

In Deutschland gibt es mehr Drogentote, wir haben aber auch weniger Prävention. Nur 24 Drogenkonsumräume, in unserem großen Land.

Schweden versagt auf dem Gebiet total. Es gibt keine Drogenkonsumräume (laut Bericht, keine Angaben) und man fährt eine sehr repressive Drogenpolitik. Die Zahl der Drogentoten ist gigantisch. Da verrecken Drogenabhängige am laufenden Band. Das sind traurige Spitzenwerte in Europa. Eine Schande für ein Land, welches so viele Dinge ganz gut geregelt bekommt.

Das ist alles Fakt.

Fazit:
Für Prävention ist kein Geld da, aber man redet gerne darüber.
Eine Frechheit gegenüber den Konsumenten und deren Familien.

Am Rande ...
Zur Polizei und deren Situation, werde ich auch noch etwas schreiben. In einem anderen Thread.
Die Polizei hat aber definitiv genug zu tun und sollte sich um andere Baustellen kümmern. Strafverfolgung von Konsumenten und der gleichen ist inakzeptabel.

Die Repression ist kein Missverständnis.
Im Bezug auf Drogen möchte die Regierung das so.
Was Konsumenten, Polizisten im Streifenwagen oder die Gesellschaft möchte, steht auf einem anderen Blatt.

Gruß
Unbegreiflich
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Re: Die Repression - Ein Mißverständnis?

Beitrag von Unbegreiflich »

Noch kurz zum Thema Missverständnis.
Du hast schon Recht.

Da die Repression oftmals entgegen der Prävention arbeitet.
Kann man das schon als Missverständnis betrachten.

Wir wollen offiziell Menschen schützen und Schadensminimierung betreiben und haben parallel einen unberechenbaren Schwarzmarkt (wegen der Repression). Dieser lässt Schutz von Konsumenten und Schadensminimierung nicht wirklich zu (Prävention). Wenn der Stoff des Konsumenten verunreinigt ist, nützt der Rest nur begrenzt bis gar nicht mehr.

Aber wie ich schon sagte.
Man kennt die Auswirkungen dieser ganzen Geschichte und verändert da nichts.
Also ist es ein gewolltes Missverständnis.
Oder gewollt »Konträr«.
Es widerspricht sich. Mit negativen Auswirkungen.
Für einen nachdenkenden Menschen ein Missverständnis ... Für unsere Politik ein unerklärliches Phänomen.

Gruß
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overturn
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Re: Die Repression - Ein Mißverständnis?

Beitrag von overturn »

Ein Missverständnis wäre es, das strafrechtliche Konstrukt der Generalprävention mit einer Gesundheitsprävention zu verwechseln. Das sind erst mal zwei völlig verschiedene Konzepte - wenn sie sich auch semantisch oder sogar teils inhaltlich überschneiden sollten. Zudem wird schnell klar, dass eine Verbotspolitik eine effektive Prävention unterwandert und schlicht unmöglich macht - so wird bspw. die potentiell gesundheitsfördernde Wirkung eines Drogenkonsums in der Regel komplett verneint. Möglicherweise verwischt diese Grenze, weil sich beide "Präventionen" in ihrem Ziel überschneiden, einen Konsum komplett zu verhindern oder zumindest zu reduzieren, anstatt grundsätzlich Bedingungen und Gegebenheiten zu schaffen, die einen Konsum mit den geringsten negativen Folgen (trotz diesem!) ermöglichen. Die deutsche Drogenpolitik, die sich dem europäischen Konzept der "four pillars policy" zuordnet, bleibt aus diesen und vielerlei weiteren Gründen extrem verkürzt und einer Subsumtionslogik verhaftet.

Beste Grüße!
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Tüte
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Re: Die Repression - Ein Mißverständnis?

Beitrag von Tüte »

Muss das bei "four pillars policy" nochmal nachhacken. Kurze Recherche hat ergeben, dass ist ein australisches Konzept und hat mit Banken zu tun. Wie bringst du das mit Europa und Drogenpolitik zusammen?
Das Leben beginnt in einer Zelle. Bei Strolchen endet es in einer solchen!
Doc_A
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Re: Die Repression - Ein Mißverständnis?

Beitrag von Doc_A »

Ich wollte mit meinem Startposting eigentlich nur andeuten, daß ich glaube, daß ein Großteil der Bevölkerung die Repression (gesetzl. Verbot und Verfolgung von Konsumenten) für Prävention hält. ("Generalprävention")

In dem Zusammenhang ein bizzele offtopic: Ich glaube auch, daß ein Großteil der Bevölkerung der Meinung ist, daß es in D eine echte Entkriminalisierung gibt und die Polizei nur tätig wird, wenn gedealt wird oder Jugendliche gefährdet sind. Man "hört" beispielsweise öfters in Umfragen, Kommentaren oder Foren, daß in D "6g (in B sogar 15g) legal" seien.
:shock:
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overturn
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Re: Die Repression - Ein Mißverständnis?

Beitrag von overturn »

Tüte hat geschrieben:Muss das bei "four pillars policy" nochmal nachhacken. Kurze Recherche hat ergeben, dass ist ein australisches Konzept und hat mit Banken zu tun. Wie bringst du das mit Europa und Drogenpolitik zusammen?
Dies ist lediglich der internationale Begriff für das als "europäisch" wahrgenommene 4-Säulen-Modell einer Drogenpolitik, das, falls ich mich nicht irre, ursprünglich in der Schweiz implementiert wurde. Vielleicht findet man leichter etwas unter "fourfold policy".
Doc_A hat geschrieben:Ich wollte mit meinem Startposting eigentlich nur andeuten, daß ich glaube, daß ein Großteil der Bevölkerung die Repression (gesetzl. Verbot und Verfolgung von Konsumenten) für Prävention hält. ("Generalprävention")
Ja, das liegt, denke ich, zum Teil an der verkürzten und sich deckenden "Präventionsabsicht", die in beiderlei Fällen primär auf Verhinderung des Konsums abzielt. Der Zweck heiligt die Mittel?

Beste Grüße!
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Unbegreiflich
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Re: Die Repression - Ein Mißverständnis?

Beitrag von Unbegreiflich »

„Overturn“ schrieb …
Ja, das liegt, denke ich, zum Teil an der verkürzten und sich deckenden "Präventionsabsicht", die in beiderlei Fällen primär auf Verhinderung des Konsums abzielt. Der Zweck heiligt die Mittel? 
Gut ausgedrückt!
Es ging ursprünglich darum den Konsum zu verhindern.
Das hat nicht geklappt. Egal was für drastische Strafen ein Land verhängt.

In manchen Ländern werden Drogenhändler sogar hingerichtet.
Es nützt alles nix.
Egal welche Strafe man verhängt man wird damit nix verbessern.
Es werden auch in der Zukunft Drogen konsumiert und hergestellt werden.

Also müssen Regulierungen her, sonst wird sich nie etwas verbessern.
Im gegenteil, es verschlechtert sich andauernd.
Keines der selbst gesteckten Ziele konnte wirklich erreicht werden beim "Krieg gegen die Drogen".

Wenn die Repression Erfolge aufweisen könnte, würde eventuell "der Zweck die Mittel heiligen".
Aber nicht mal das ist der Fall.
Also trifft das im Fall der illegalen Drogen wohl auf keinen Fall zu.

Hinrichtungen durch den Staat, bei Droge-Vergehen sind eh mehr als fraglich.
Jeder der so etwas begrüßt, sollte mal in dieser Richtung wirkliche Nachforschungen anstellen und sich mal informieren.
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