"Gefängnisse in Brasilien/ Die Hölle, das sind wir"

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Sabine
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"Gefängnisse in Brasilien/ Die Hölle, das sind wir"

Beitrag von Sabine »

"Folter, Sadismus, Kannibalismus: In wohl kaum einem Land der Welt sind Gefängnisse so entsetzlich wie in Brasilien. Wer hier überleben will, muss sich einem perversen System unterwerfen.
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Wer eine Gefängnisstrafe in Brasilien überleben will, braucht harte Nerven, gute Freunde, Gott und viel Glück. Greg Andrade sagt, es ist eines der "perversesten Systeme der Welt". In diesem System gibt es keine Hygiene, nur Korruption. Der Staat hat größtenteils die Kontrolle verloren, es ist ein Reich, in dem Verbrechersyndikate ihre Schreckensherrschaft errichtet haben. Mindestens 138 Menschen sind seit dem 1. Januar 2017 in fünf verschiedenen brasilianischen Haftanstalten getötet worden. Nein, sie sind hingerichtet worden, geköpft, zerstückelt - das trifft es besser.

Im Netz kann man sich Handyaufnahmen von den Massakern ansehen, manchmal kann man sie sogar als DVD auf der Straße kaufen. Es sind Bilder von Exekutionen, wie man sie von der Terrormiliz Islamischer Staat kennt. Da werden im Gefängnis Anísio Jobim in Manaus Köpfe abgesägt. Es ist harte Arbeit, bis so ein Kopf fällt. Kopf an Kopf in einem See aus Blut. Aus der Haftanstalt Alcaçuz bei Natal gibt es ein Video mit Grillfleisch am Spieß. Wenn es stimmt, was der Mann in die Kamera brüllt, dann werden hier gleich die Überreste eines Menschen aus einer verfeindeten Bande verzehrt. Niemand von offizieller Seite zweifelt bislang die Echtheit dieser Bilder an. Brasilien im Jahr 2017.
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Wer sind also all die Menschen, die in den überfüllten Zellen ums Überleben kämpfen?

"Ziemlich viele Kleindealer", sagt der Gefängnisdirektor. Und Anwalt Andrade sagt: "Der klassische brasilianische Häftling hat ein Alter, eine Hautfarbe und eine Adresse: jung, schwarz, Vorstadtsiedlung." Und dann gibt es noch eine Statistik, die den Irrsinn komplettiert: Mehr als 40 Prozent aller Gefängnisinsassen sind Untersuchungshäftlinge, die auf ihren Prozess warten - oder einfach vergessen wurden.
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Im Forum Lafayette, dem größten Gerichtsgebäude von Belo Horizonte, vertritt Andrade zum Beispiel die 19-jährige Amanda. Polizisten haben sie und ihre Freundin Rafaela, 20, im vergangenen September mit 20 Gramm Marihuana auf der Straße erwischt. Seitdem sitzen die beiden Mädchen in Untersuchungshaft im heillos überfüllten Frauengefängnis von Ribeirão das Neves. Zu ihrem Strafprozess werden sie in roter Häftlingsuniform geführt, Handschellen hinter dem Rücken. Ein Polizist im Zeugenstand nennt sie "stadtbekannte Großdealerinnen", wenn er über Rafaela spricht, sagt er aquela moreninha, die kleine Schwarze. Die Angeklagten sagen aus, der Polizist habe sie bei der Verhaftung geschlagen und damit gedroht, sie zu töten, wenn sie ihm nicht sofort ihr Drogenlager zeigten. Dann sei er mit einem Einsatztrupp in Amandas Wohnung eingedrungen und mit 300 Gramm Marihuana wieder herausgekommen, "das muss er selbst mitgebracht haben", sagt Amanda.

Greg Andrade argumentiert, dass es weder einen Beweis noch eine Zeugenaussage gebe, wonach seine Klientin Drogen verkauft habe. Sie sei auch nie mit einer Waffe gesehen worden und habe das Gras lediglich für den Eigenverbrauch besessen. Er plädiert auf Freispruch. Die Staatsanwältin beantragt eine Verurteilung wegen Drogenhandels. Darauf steht in Brasilien eine Mindeststrafe von fünf Jahren Haft.
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Die brasilianische Regierung von Präsident Michel Temer hat bislang zwei Vorschläge zur Bekämpfung dieser Zustände präsentiert. Erstens: die Armee in die Gefängnisse schicken. Zweitens: mehr Gefängnisse bauen. "Beides ist hirnrissig", sagt Greg Andrade. Man müsste die Zahl der Häftlinge drastisch reduzieren. Aber das setzt eine Kehrtwende in der Antidrogenpolitik voraus.

"Der beste Moment, um alle Drogen zu legalisieren, ist jetzt", sagt Brasiliens früherer Präsident Fernando Henrique Cardoso, ein Konservativer. Genauso sehen das inzwischen einige Richter am Obersten Gerichtshof in Brasília. Im Büro der ehemaligen Direktorin des Strafvollzugswesens im Bundesstaat Rio de Janeiro hängt ein Plakat mit der Aufschrift: "Der Drogenhandel lebt vom Verbot." Menschenrechtsexperten, Kriminalwissenschaftler, Soziologen, UN-Beobachter, fast alle, die sich mit dem Thema beschäftigten, kommen zu dem Schluss, dass der Drogenkrieg deutlich mehr Opfer fordert als der Drogenkonsum. Kaum irgendwo ist das so offensichtlich wie in den Gefängnissen. Aber kaum etwas ist politisch so schwer vermittelbar.

Die große Mehrheit der Brasilianer ist gegen die Legalisierung. Das weiß auch der ultrarechte Parlamentsabgeordnete Jair Bolsonaro, der unter anderem Prügelstrafen für Kiffer fordert und Homosexualität für eine Krankheit hält, die durch Drogenkonsum ausgelöst wird.
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"Viele Brasilianer sind der Meinung, dass es gut ist, wenn die Häftlinge hier verrecken", sagt Gefängnisdirektor Santos. "


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Martin Mainz
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Re: "Gefängnisse in Brasilien/ Die Hölle, das sind wir"

Beitrag von Martin Mainz »

Kein großer Unterschied zu den Philippinen und Duterte - grauenhaft! In der dritten Staffel Prison Break geht es um genau so einen Knast und den Kampf ums Überleben.
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Wenn ich einen Fehler gemacht habe, bitte einfach eine PN an mich :mrgreen:
Bitte seid nett zueinander - die Welt da draußen ist schlimm genug
Sabine
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Registriert: Fr 18. Apr 2014, 09:15

Re: "Gefängnisse in Brasilien/ Die Hölle, das sind wir"

Beitrag von Sabine »

Solange es solche Äußerungen in Deutschland gibt, sind hier einige nicht weit entfernt von den Dutertes dieser Welt :

"Drogenabhängige gibt es ( leider) überall auf der Welt! Und egal welche Nationalität sie haben sie sind Kriminelle."

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