Cexpert hat geschrieben: ↑Fr 5. Apr 2024, 01:41
Martin Mainz hat geschrieben: ↑Mo 1. Apr 2024, 15:04
Und jetzt gegen Dealer härterer Drogen zu wettern, finde ich genauso falsch und scheinheilig.
Richtig.
Außer natürlich bei Crystal. Da hört der Spaß auf. Menschen fallen in kurzer Zeit die Zähne aus und das Gebiss verformt sich.
So eine Droge muss mit ihren Dealern abgeschossen werden. Hier erwarten wir alle ein äußerst hartes Vorgehen.
Ich bin ein beinharter Gegner der Todesstrafe - aus einem etwas ungewöhnlichen Grund: der Möglichkeit des Justizirrtums, von denen einige prominente Fälle zB in der Wikipedia unter eben diesem Stichwort gesammelt sind. Freiheitsstrafen können aufgehoben, "Haftentschädigung" (m.E. ist sie viel zu niedrig) gezahlt, den Betroffenen auch anderweitige gesellschaftliche Hilfe geboten werden. Dem aufgrund eines Justizirrtums zum Tode Verurteilten nützt eine Rehabilitation nach einer Wiederaufnahme garnichts: er bleibt tot.
Diese Überzeugung hat sich im Laufe meiner Juristenausbildung eingestellt und durch mein früheres Berufsleben als Anwalt habe ich es in vielen Fällen praktisch miterlebt, wie sehr Entscheidungen von Gerichten und Strafverfolgungsbehörden von Zufällen abhängig sein können. Auch Richter, Staats- und Rechtsanwälte sind nun einmal Menschen und nun mal nicht unfehlbar. Auch in Fällen, in denen zunächst einmal "alles total klar" erscheint, kein Zweifel mehr bestehen konnte, hat sich so manches Urteil als tragisch falsch erwiesen. Rechtshistorisch berühmt ist der "Fall Jakubowski" zur Zeit der Weimarer Republik, dessen öffentliche Debatte sehr viel zur Ablehnung der Todesstrafe beigetragen hat. Ich empfehle es, diesen Fall mal bei Wiki nachzulesen.
Es ist auch falsch, daß "wir alle ein äußerst hartes Vorgehen" erwarten würden - nämlich zumindest ich tue das nicht, gehöre zu denen, welche generell gegen Verbote von Drogen sind. Kriminalisierung von Drogen verhindert nicht ihren Konsum, sondern schafft eine Subkultur, die weder vom Staat noch "der Gesellschaft" erreicht oder beeinflußt werden kann, eine Art von Parallelgesellschaft, in der solche "Blumen des Bösen" wie Cristal Meth auf verderbliche Weise gedeihen können.
Meiner Meinung nach ist es gerade die Kriminalisierung des Drogenkonsums, die hauptursächlich für solche Phänomene ist, zu denen ich auch die Beschaffungskriminalität und Prostitution zur Finanzierung des Drogenkonsums rechne. Last not least ist die Kriminalisierung des Drogenkonsums die tragende Säule der organisierten Kriminalität - die diesbezüglichen Auswirkungen der (Alkohol-)"Prohibition" in den USA zu Beginn des 20. Jahrhunderts sind sattsam bekannt. Die "Drogentoten", die stets als ehrenwerte Begründung für "hartes Durchgreifen" angeführt werden, sind m.E. im Gegenteil im Wesentlichen die Opfer jenes "harten Durchgreifens".
Ich lade zu einem Gedankenexperiment ein:
Stellen wir uns mal die "Totallegalisierung" aller Drogen vor, die man folglich bei Aldi & Co kaufen kann, behördlicher Überwachung unterliegen und auch der "gesellschaftlichen Kontrolle": "Risiken und Nebenwirkungen" werden in den Medien thematisiert und diskutiert, gesundheitsschädliche Produkte als solche identifiziert - und gemieden, wie in den realen Fällen von "Gammelfleisch" oder Ungeziefer in Brotfabriken. Aber auch nur, weil der Konsum von Fleisch und Brot gesellschaftlich akzeptiert ist, nicht in eine tabuisierte Subkultur abgedrängt ist.
Die Schädlichkeit von Drogen wie Crystal Meth wird natürlich auch "in der Gesellschaft" immer wieder mal thematisiert - aber die kriminalisierte Subkultur wird davon nicht erreicht. In Reaktion auf die "Ächtung" dieser Subkultur durch "die Gesellschaft" hat diese Subkultur ihrerseits "die Gesellschaft" geächtet und scheißt darauf, was in den Medien, von Politikern und "Bullen" so verbreitet wird: "alles nur Kacke!"