Cannabis Patient schuldig gesprochen | Hilfe

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willushka
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Cannabis Patient schuldig gesprochen | Hilfe

Beitrag von willushka »

Einen schönen Guten Morgen, Mittag, Abend und Nacht zusammen,

ich möchte mich eben kurz fassen mit meinem Anliegen. Eine Richterin verurteilte mich schuldig für etwas wofür es keine "Beweise" gab. Die Gerichtsverhandlung ereignete sich am 09.07.2021 Freitag von 08:30 - 10:45 Uhr. Nun MUSS (von mir aus gehend) ich Berufung einlegen da mir das Urteil äußerst spanisch vorkommt und benötige einen echten Elite-Anwalt in dieser Thematik da sich meine Anwältin meiner Meinung nach überfordert ist. Folglich schildere ich euch offenherzig meinen Vorfall + das was während meiner Hauptverhandlung passierte und wie es mir danach nun geht. Bitte verzeiht wenn es zu viel zum lesen sein könnte aber ich fühle mich in meiner Lage äußerst verzweifelt und hilflos.

Vorfall

Am 11.01.2021 (Montag) gegen 23:25 ereignete sich meine Miesere.
An diesem Tag arbeitete ich wie gewohnt in meinem Betrieb in der Spätschicht (14:00 - 23:00). Zum Feierabend liefen mein Arbeitskollege und ich zu unserem Firmenparkplatz zum Auto, da wir eine Fahrgemeinschaft haben. Seit gut 3 Wochen fuhr mein Arbeitskollege täglich mit mir mit da er selber keinen Führerschein besitzt und sein Wohnort auf dem Weg zu der meinen liegt. Zum Feierabend haben wir [andere Arbeitskollegen und ich] ein gewöhnliches Ritual um den Feierabend einzuläuten indem wir noch alle gemütlich unsere Zigaretten rauchen und nochmal miteinander reden bevor es dann letztendlich Richtung Wohnung geht. An diesem Abend mussten wir dieses Ritual nun auslassen da die Freundin meines Mitfahrers erst kürzlich Zwillinge auf die Welt brachte und mich bat Ihn ohne Umwege nach Hause zu bringen da sie mit den Zwillingen überfordert war. Gesagt getan, also stiegen wir in mein Fahrzeug ein und verließen das Firmengelände, ein paar Meter weiter dann die Ortschaft nur um nach einer ca 5 minütiger Landstraßenfahrt in die nächste Ortschaft anzukommen. Kurz nachdem wir in die Ortschaft einfuhren kamen wir schließlich auch nicht weit da die Polizei mir nur wenige Meter hinterherfuhr und mir signalisierte anzuhalten. So tat ich dies auch und hielt am rechten Fahrbahnrand an. Verkehrskontrollen waren zu diesem Zeitpunkt üblich einfach wegen der geltenden Ausgangssperre.
23:25 Uhr
Im Rahmen der allgemeinen Verkehrskontrolle wurden wir das übliche befragt, wo wir denn herkommen bzw. wieso wir um diese Uhrzeit denn noch unterwegs wären. Die Fragen beantworteten wir Wahrheitsgemäß, ich mein, wieso denn auch nicht? Ein paar Sätze später folgte die frage ob ich denn irgendwelche Drogen konsumiere, ich verneinte dies und fügt nur hinzu dass ich meine Medikamente nach Anweisung meines Docs zu mir nehmen würde. Um die Informationslücke zu schließen, ich bin nachweislich Cannabis-Patient seit 2018!. So fragte er mich um welche Medikamente es sich denn handeln würde, ich gab an dass es sich bei meinen Medikamenten um Medizinalhanf handelt die ich täglich nach Verordnung meines Arztes zu mir nehmen würde. Das freundliche Gespräch kippte binnen weniger Sekunden um und man reduzierte mich direkt auf mein Aussehen. Asiatische Herkunft, Schulterlange schwarze Haare "ja durch unsere langjährige Berufserfahrung erkennen wir solche Personengruppen direkt". Laut Aussagen des kontrollierenden Beamten erkenne man mich schon allein an meiner Frisur (danke?), an meinen glasigen Augen (bei 9,5h Arbeit bei künstlichem Licht und arbeiten am PC, als auch eisige Temperaturen von -5,5 grad bei dem der Wind ätzend um die Ohren und Augen wehte) und die Art wie ich das Gespräch führte - und zwar verlangsamt/verzögert obwohl ich einfach die Art von Person bin die wohlüberlegt seine Aussagen tätigt und dafür nehme ich mir die Zeit nun mal. Er fragte mich wann denn mein letzter "Konsum" gewesen sei und ich antwortete "Vor mehr als 24h Stunden, immer zur selben Tageszeit nehme ich meine Medikamente zu mir". Es folgte die Aufforderung Ihm meine Fahrzeugpapiere, Warnweste und den ganzen Standard zu zeigen. Ich stieg aus um an den Kofferraum zu gelangen in dem sich mein Verbandskasten befand. Das Gespräch wurde nun außerhalb meines Fahrzeuges weitergeführt. Der kontrollierende Beamte forderte die Einsicht meines gültigen Rezeptes. Ich stieg ins Auto ein um aus der Mittelkonsole meine Anweisung (blauer Zettel) zu holen. Mir rutschte mein Herz in die Hose als ich bemerkte dass ich die falsche Anweisung in der Hand hielt. Ich konnte mir in diesem Moment nicht erklären wie ich an meine ungültige/abgelaufene Anweisung im Auto verstauen konnte. Ich versuchte den Beamten zu erklären weshalb ich eine ungültige Anweisung bei mir trug, und zwar lautete meine Begründung folgendermaßen :"Es wäre durchaus möglich dass ich es entweder versäumte mir meine Folgeanweisung von meinem Arzt zu beschaffen oder ich habe meine Anweisung durch den Umzugsstress mit meiner ungültigen Anweisung verwechselt. Ich bin erst zu diesem Wochenende in die Ortschaft gezogen und es wäre möglich dass die aktuelle Zuhause liegt.". Dadurch dass meine Anweisung zu diesem Zeitpunkt ungültig ist wurde ich wiederum binnen weniger Sekunden vom Patienten zum Kriminellen und man unterstellte mir die Anweisung fälschlicherweise beschaffen zu haben um diesen als Freifahrtschein zu nutzen. Ich verneinte dies und gab zu verstehen dass es mich ebenso ankotzt wenn andere sich eine Anweisung/Rezept beschaffen nur um in den freizeitlichen Genuss von Cannabis zu kommen und ich für mein Krankheitsbild über den selben Kamm geschert werde. Der Beamte wolle mir nun an dieser Stelle weiß machen, dass wenn ich keine gültige Anweisung besitze, ich auch kein Patient bin und man das nun strafrechtlich verfolgt werden müsse. Ich gab zu verstehen dass ich dies nachvollziehen kann, jedoch möchte ich mich bemühen meine Anweisung etc. zeitnah nachzureichen um Missverständnisse auszuräumen. Als ich mich in dieser Lage befand, fühlte ich mich wirklich wie frischer Kadaver umgeben von hungrigen Hyänen die nur darauf warteten Gründe zu finden um mich letztendlich zu zerfleischen. Völlig fokussiert auf mich fiel den Beamten plötzlich ein dass ich noch einen Beifahrer (Zeuge) mit im Auto hatte, ungeduldig baten die Beamten meinen Mitfahrer auszusteigen und er dürfe nun 8Km in der Eiseskälte nach Hause laufen. Nach einer kurzen Zeit beschlossen die Beamten mich mit auf die Dienststelle zu nehmen um mir dort Blut abzunehmen. Ich bestätigte dies da ich mich an meiner Dosis hielt und nichts zu befürchten hatte von wegen zu hoher Wert o.ä. Die Beamten stellten mein Fahrzeug ordnungsgemäß auf einen Parkplatz ab und kassierten meinen Schlüssel für 24 Stunden ein. Als ich fragte wie es ablaufen würde wenn ich meine Schlüssel wiedererlangen möchte bekam ich eine, für mich schwachsinnige, Antwort. "Nach 24 Stunden können Sie vorbeikommen und Ihre Schlüssel unter der Voraussetzung eines negativen Urintests abholen". Ich lachte erst einmal lautstark und fragte daraufhin "Wie soll das als Cannabis-Patient bitteschön funktionieren einen negativen Urintest vorzuweisen obwohl mir die tägliche Einnahme verordnet wurde?". Antwort:" Dann lassen Sie Ihre Schlüssel durch einen Bekannten abholen. Dazu müssen Sie Ihm die Vollmacht übergeben". Wow. Also wenn mir als Cannabis-Patient zukünftig die Schüssel gesichert werden, bekomme ich diesen selber nie ausgehändigt?
Wenig später stiegen wir in das Polizeifahrzeug ein und fuhren Richtung Dienststelle (Ca 5 Minuten Fahrt). Ich fing ein Gespräch mit den Beamten an und wollte lediglich in Erfahrung bringen auf welche Sanktionen ich mich einstellen könne oder ob ich überhaupt sanktioniert werde wenn ich zeitnah meine gültige Anweisung der Dienststelle vorzeige. Er sicherte mir zu das bei erbrachtem Nachweis die Führerscheinstelle es dann auch dabei belassen werde und ich mir keinen Kopf zu machen brauche.
23:40 Uhr
Nun sind wir an der Dienststelle angekommen und ich wurde in das "Büro" gebeten. Der Arzt kam nun zur Blutentnahme rein und legte mit seinem Job los. Ich führte während der Blutentnahme ein angenehmes Gespräch mit dem Arzt der mir erklärte wie seine Instrumente funktionierten. Getestet wurden auch noch mehrere Punkte wie z.B. Finger-Finger, Finger-Nase, Gang (geradeaus), Pupillenreaktion etc, ich glaub ihr wisst Bescheid. Der Beamte erstellte in der Zwischenzeit seinen polizeilichen Bericht. Es wurden nicht mehr viele Worte gewechselt und ich durfte die Dienststelle nun verlassen.

Nach diesem Abend haben mich einige Fragen beschäftigt.
Wieso wurden die Personalien meines Beifahrers nicht mit aufgenommen? Habe ich was falsches getan? Darf ich überhaupt Auto fahren?
Ich war mir in diesen Punkten so unsicher und ließ mein Auto vorsichtshalber eine komplette Woche auf dem Parkplatz stehen da ich mir nach der Kontrolle nicht mehr sicher war was richtig und was falsch ist.
Um noch Dinge festzuhalten die eventuell dienlich sein könnten - Es wurde keine Fahrzeugdurchsuchung gemacht, kein Urintest (zum Glück eigentlich), es wurde nichts gefunden (weder Papes die einen missbräuchlichen Konsum andeuten könnten, noch irgendwelche Krümel oder sonst irgendwas, einfach gar nichts). Nur mein Erscheinungsbild hat und meine Angabe zum Patientendasein hat hier alles gerechtfertigt.

13.01.2021 Mittwoch
Ich fand meine gültige Anweisung schließlich Zuhause in einem der Umzugskartons und machte mich mit dieser Anweisung samt diverser anderer Unterlagen auf die Socken zur Dienststelle. Am Schalter gab ich zu verstehen weshalb ich auf die Dienststelle erschienen bin. Ich drückte dem Beamten meine Visitenkarte vom Doc mit Patientennummer in die Hand als auch das Regelwerk meines Arztes in dem geregelt ist wie ich meine Medikamente einzunehmen habe. Zu guter Letzt drückte ich dem Herrn meine aktuelle Anweisung und meine vergangenen Anweisungen (Zeitraum von einem Jahr) in die Hand. Zu meiner aktuellen Anweisung schaute er mich skeptisch an und kommentiere "Die Anweisung sieht noch komplett neu aus" ich erwiderte daraufhin "Was denken Sie denn wenn ich die Anweisungen verwechselte und meine neue Anweisung unberührt über Wochen einfach nur rumlag?", ohne weitere Worte zu verschwenden machte er sich Kopien von meiner Anweisung. Ich fragte Ihn noch wie ich es beim nächsten mal besser anstellen kann um zukünftig keine Probleme zu bekommen. Er zählte mir auf dass ich IMMER meine aktuelle Anweisung bei mir tragen solle, sowie das gültige Rezept als auch meinen Vaporizer. Ich erwiderte daraufhin dass ich keinen Sinn darin finde meinen Vaporizer jede Sekunde an meinen Körper zu tragen obwohl ich immer zur selben Tageszeit (Abend) meine Medikamente zu mir nehme und es unnötig ist diesen überall mitzuschleppen, geschweige denn dass mein Auto durch die Lagerung völlig stinken würde. Zukünftig sollte ich dann einen Nachweis über den Besitz eines Vaporizer mit mir führen in Form von Verpackung oder Kassenzettel. Diese Aussage halte ich immer noch für schwachsinnig aber ich wollte meine Zeit nicht weiterhin mit so einen Spezialisten verschwenden. Ich verließ die Dienststelle.

Am Selben Tag wurde seitens der Polizei (Polizeizeitung oder sowas in der Richtung) einen Artikel veröffentlich in dem zu lesen ist:
(Ich kann diesen Artikel an dieser Stelle nicht zu 100% genau wiedergeben, aber die wichtigsten Dinge konnte ich mir einprägen)
"[Ortschaft, Datum und Uhrzeit] mit der Überschrift #Berauschter Autofahrer aus dem Verkehr gezogen#. Bei einer allgemeinen Verkehrskontrolle konnten die Beamten einen berauschten Autofahrer aus dem Verkehr ziehen. Grund für den Verdacht waren unter anderem die drogentypischen Auffälligkeiten sowie die Zweifel an das sichere Führen eines Kfz. Während der Kontrolle räumte der 26-Jährige Mann ein Cannabis konsumiert zu haben und gab sich als Schmerzpatient zu erkennen. Einen Nachweis konnte er den Beamten nicht vorzeigen. Sie unterbunden Ihm die Weiterfahrt und stellten seine Autoschlüssel sicher."
Ich dachte ich Fall vom Pferd. Wie konnten Sie nur so einen Artikel veröffentlichen der nicht gänzlich der Wahrheit entspricht? Meiner Ansicht nach wirft dieser Artikel wieder ein schlechtes Bild auf Cannabis und deren "Konsumenten" da diese in dem Artikel scheinbar Verkehr und Konsum nicht unterscheiden können. Was für ein Rotz!

wenige Wochen Später
Ich erhielt einen Brief vom Landratsamt. Bußgeld in Höhe von knapp 700,-€, 2 Punkte in Flensburg und 1 Monat Fahrverbot. Ich dachte ich sehe nicht richtig. Trotz erbrachten Nachweis wollen sie mir auf irgendeiner Art und Weise das Bußgeld etc rechtfertigen. Als ich dann den Tatvorwurf durchlas fiel ich fast vom glauben. Hier heißt es (und ich zitiere Wort für Wort): "Sie führten das Kraftfahrzeug unter Wirkung des berauschenden Mittels *= §24a Abs. 2, 3, § 25 StVG; 242 BKat; § 4 Abs. 3 BKatV. - Sie wurden am Tattag einer allg. Verkehrskontrolle unterzogen. Hierbei konnten drogentypische Auffälligkeiten festgestellt werden. Auf Nachfrage gaben Sie an, Schmerzpatient zu sein. Eine gültige Anweisung bzw. ein gültiges Rezept zur Einnahme von Cannabis konnten sie Jedoch nicht vorweisen. Ihnen wurde die Weiterfahrt untersagt und es wurde eine Blutentnahme auf hiesiger Dienststelle durchgeführt. Der Fahrzeugschlüssel wurde vorübergehend sichergestellt. Ergebnis der Blutuntersuchung - THC 3,1ng/ml - THC-COOH 18,5 ng/ml, 11-OH-THC 0,5 ng/ml
Ich fühlte mich betrogen und so legte ich Einspruch gegen dieses Bußgeld ein.

weitere Wochen später
Es flatterte nach meinem Einspruch erneut einen Brief vom Landratsamt bei mir ein. In diesem Brief wolle man von mir Wissen an welchem Krankheitsbild (Grunderkrankung) ich denn leiden würde um mit Cannabis therapiert zu werden. Nach ewigen hin- und herüberlegen ob ich etwas offenlegen soll die eigentlich niemanden zu interessieren hat, entschied ich mich auf diesen Brief über E-Mail zu antworten. Ich antwortete: Sehr geehrter Herr X,

ich habe Ihr Schreiben vom 01.04.2021 erhalten und möchte Ihnen hiermit meine von Ihnen angefragte Erkrankung mitteilen.

Bei meiner Erkrankung handelt es sich um eine Schlafstörung die ich gelegentlich seit der Kindheit habe. Die Schlafstörung hat sich nach meiner Ausbildung und zu Beginn meiner Schichtarbeit verschlimmert. Aufgrund der gelegentlich mitunter der Schlafstörung auftauchenden Schlafparalyse habe ich Herrn Doktor X in X aufgesucht und dieser verordnete mir nach unserem Gespräch eine Medikation mit Cannabis. Während dem Gespräch gab ich an dass ich alternative Präparate auf pflanzlicher Basis gegen meine Schlafprobleme ausprobiert hatte, diese ich aber aufgrund der unangenehmen Nebenwirkungen nicht weiter eingenommen habe. Meine Anweisung schreibt vor das ich täglich 1/3 Gramm vor dem Schlafengehen zu mir nehmen sollte, dieser Anweisung gehe ich nach und nehme meine Medikamente eine Stunde vor dem Zubettgehen ein sodass ich mich bereits sediert meinen erholsamen Schlaf widmen kann.

Ich hoffe ich konnte Ihnen einen kleinen Einblick in meiner Erkrankung gewähren.
Gerne stehe ich Ihnen für weitere Fragen zur Verfügung.

Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Arbeitstag.


weitere Wochen später - Der Schock
Auf einmal landete einen Brief im gelben Briefumschlag in meinem Briefkasten mit der Aufschrift "Amtsgericht". Darin zu lesen In dem Bußgeldverfahren gegen [mich] wegen Fahrlässiges Führen eines Kraftfahrzeuges im Straßenverkehr unter der Wirkung des berauschenden Mittels. Es war die Einladung zur Hauptverhandlung am Freitag den 09.07.2021 (erst vorgestern).

Ich besorgte mir daraufhin rechtlichen Beistand und fand eine Anwältin für Verkehrs- und Strafrecht. Ihr habe ich meine Story geschildert und wir fingen an unsere Beweismittel zu sammeln (Anweisungen, Rezepte, Zeuge, Meldebescheinigung etc..) Ich hatte ein gutes Gefühl bei der Sache. Fehler passieren nun mal, also wird schon schief gehen.

Tag der Hauptverhandlung aka Doomsday aka der Tag an dem ich in den A*sch gef*ckt wurde
Ich versuche mich hier ein wenig kürzer zu fassen. Nun saß ich also im Gerichtssaal, links neben mir meine Anwältin die schon anfing meine Akte und alle Unterlagen auszupacken. Es wurden die Formalitäten geklärt.

Ich sagte als erstes aus. Habe wie oben erwähnt meine Story offengelegt. Ich wurde gefragt wie ich denn meine Medikamente zu mir nehmen würde, ich beantwortete dies mit "Die Einnahme meiner Medikamente erfolgt bestimmungsgemäß über Vaporizer". Zu meinen Aussagen gibt es nicht mehr viel zu erzählen da ich oben schon die Beschreibung abgegeben habe. :)

Als nächstes wurde der kontrollierende Beamte (mit dem Dienstgrad: Polizeiobermeister POM) gebeten seine Aussage zu machen. Seine Aussage wirkte sehr sicher und die Antworten erfolgten prompt. Er eliminierte durch seine Aussage die Relevanz meines Zeugen, da mein Zeuge den Tatort verlassen musste konnte er nicht mehr bezeugen was auf der Fahrt zur Dienststelle noch vorgefallen ist. Diese machte sich auch der Beamte zunutze und betonte dass ich von Ihm im Auto befragt wurde über welche Form ich denn meine Medikamente einnehmen würde und mit einem klaren "joint" geantwortet hätte. Niemals hätte ich so etwas aber gesagt und da bin ich mir zu 100% sicher! Immer wieder drehte er seine Sätze in Kreisen und betonte deutlich das Wort "joint". Meine Anwältin fragte Ihn daraufhin empört wie es denn sein kann dass er diese Behauptung aufstellen würde? Falls ich hierbei befragt wurde, wieso wurde dies dann nicht in der Strafakte mit aufgeführt? Die Frage überraschte Ihn so sehr dass er anfing etwas nervöser und unruhiger zu werden. Letztendlich wurden wir mir dieser Antwort vertröstet "... es gibt da schon eine gewisse Vorgabe, aber wissen Sie, die einen [Kollegen] machen das so und ich habe das nun mal so gemacht" *schulterzuck*. Ich dachte mir nur so "Wow, diese Aussage wirkt ja äußerst unseriös". Meine Anwältin ging dann weiter und bohrte darauf los wie es denn sein kann das Ich meinen Nachweis zwei Tage später der Dienststelle vorzeigte und man sich eine Kopie machte, diesen aber nicht mit in die Akten gelegt hatte. Seine unverschämte Antwort ließ nicht lang auf sich warten "Ja ich habe gesehen dass bei meinem Kollegen am Schalter eine Anweisung von Herrn X eingegangen ist. Es traten jedoch Zweifel auf die Richtigkeit seiner Anweisung auf, in der Hinsicht dass Herr X angab vergessen zu haben sich eine zu besorgen wegen dem Umzugsstress, gehen wir davon aus dass der Arzt das Datum ganz einfach zurückdatiert hat." Ich bin stinksauer geworden als ich das gehört habe! Wo sind wir hier denn auf einmal?! Mir wird unterstellt angegeben zu haben dass ich meine Medikamente nur mittels Joints zu mir nehmen würde und dann unterstellt man mir noch dass mein Arzt ganz einfach das Datum zurückdatiert hat. Ich glaub ich spinn! Meine Anwältin wollte daraufhin wissen wieso es hinsichtlich dessen kein Ermittlungsverfahren gegen den Arzt eingeleitet wurde da es sich nach seiner Aussage ja Verdacht auf Dokumentenfälschung ergeben hat. Seine Antwort kann ich nicht mehr wiedergeben da ich in Gedanken total aufgewühlt war. Meine Anwältin hat versucht mich da ein bisschen rauszuboxen und erwähnte den Polizeilichen Bericht des kontrollierenden Beamten um Ihm seine Glaubwürdigkeit etwas zu nehmen. Es folgt eine Liste zum Ankreuzen mit den "Drogentypische Auffälligkeiten", angekreuzt wurden:
Gedankenablauf: Konzentrationsmangel, unlogischer Gedankenablauf, Anordnungen müssen mehrfacht wiederholt werden (glaube ein Ausländer der die deutsche Sprache nicht beherrscht besitzt grundsätzlich diese drogentypische Auffälligkeit), kann längeren Sätzen nicht folgen, kann nur einen Gedanken folgen, reagiert mit Verzögerung | Pupillenreaktion: verlangsamt, verzögert | Pupille: vergrößert | Der Betroffene wurde einer allg. Verkehrskontrolle unterzogen. Von Beginn an konnte er den Sätzen der Beamten nur schwer folgen und hatte Probleme sich zu konzentrieren. Der Betroffene gab an, täglich Marihuana zu konsumieren. Er konnte ein ungültiges Rezeot vorweisen, weshalb die Weiterfahrt unterbunden und eine Blutentnahme durchgeführt wurde. In diesem Sinne wollte Sie seine Glaubwürdigkeit anfechten indem Sie daraufhin den ärztlichen Bericht gegenüberstellte. Auch hier wieder Antworten zum ankreuzen :Gang (geradeaus): sicher | Finger-Finger-Prüfung: sicher | Finger-Nasen-Prüfung: sicher | Sprache: deutlich | Pupillen: unauffällig | Pupillenlichtreaktion: prompt | Bewusstsein: klar | Denkablauf: geordnet (beste) | Verhalten: beherrscht (beste) | Stimmung: unauffällig | Stehen auf einem Bein: sicher | Romberg-Seh-Test: sicher | Seiltänzer-Test: sowohl geradeaus als auch rückwärts SICHER. Der ärztliche Bericht schien mehr als nur positiv zu sein, weshalb hat der Beamte es anders wahrgenommen? Ich habe mich in der Zwischenzeit vom Tatort bis zur Dienststelle nicht verändert, wie denn auch? Ich war stets nett und kooperativ und was hat es mir gebracht? Deshalb habe ich das für ein gutes Zeichen empfunden wenn der Beamte schon schwarz auf weiß "lügt", seine Aussage von wegen "Konsum erfolgt über Joints" auch als eine Art Lüge hergeleitet werden kann, genauso wie die Aussage das es jeder eben "anders" macht bei der Niederschrift der Dokumentation. Ebenso wie die Unterstellung der zurückdatierten Anweisung. So dachte ich mir, cool, Lügner entlarvt.

Der nächste Zeuge war der sichernde Beamte (Dienstgrad: Polizeikommissar PK). Er wurde nicht viel befragt da er seine Aussage wie ein Roboter und aus der Pistole geschossen direkt aufsagen konnte. Es klang für mich wie vorbereitet und auswendig gelernt, aber sei´s drum. Die Aussage deckte sich zum Teil mit dem vorherigen Zeugen. Auch hier wurde mir wieder unterstellt im Auto die Angabe gemacht zu haben ich nehme meine Medikamente ausschließlich nur über Joints ein. Zu meiner Anweisung konnte er nichts sagen da er nicht der Sachbearbeitet war. Somit hat sich das für Ihn auch erledigt weshalb kein sterbenswörtchen vom "joint" in der Akte mit auftauchte. Die Geschichte mit ihm war dann auch so schnell vorbei so wie sie angefangen hat.

Mein Zeuge betrat nun den Gerichtssaal. Er wurde befragt ob er über meine Umstände bescheid wisse dass ich Cannabis-Patient sei, er bejahte dies. Ich informiere jeden Mitfahrer im vornherein darüber bevor sie mit mir mitfahren um für sich noch zu entscheiden ob sie mit einem Cannabis-Patienten mitfahren möchten. Er gab auch an dass ich meine Medikamente über den Vaporizer vaporisiere (ihm ist das Wort im Gerichtssaal nicht eingefallen) und bestätigte somit meine Aussage am Anfang. Auch dass er schon seit mehreren Wochen mit mir im Sinne einer Fahrgemeinschaft mit mir fuhr und er keine Auffälligkeiten feststellte gab er an. Viel konnte er nun auch nicht mehr dazu aussagen da er auf de Weg vom Tatort zur Dienststelle eben nicht dabei gewesen war.

Die Frau Richterin fragte mich wie eine Abweichung von meiner Anweisung zu dem Ärztlichen Bericht hier auftreten konnte. Auf meiner Anweisung steht 1/3 g/tag und im ärztlichen Bericht wurde 0,5g angegeben. Ich war auch erstmal etwas verwirrt und mutmaßte dass es sein kann dass ich aussagte: "Die Abweichung könnte eventuell dadurch entstanden sein dass ich im Gespräch mit dem Arzt angab dass sich meine Dosis etwas variiert. Sowas kommt selten vor, aber kommt vor. Es ist völlig Situationsbedingt wie sich mein Krankheitsbild in dem Moment bemerkbar macht. Es gibt Tage an denen bin ich total müde und lass mich direkt ins Bett fallen und benötige dann eher eine geringere bis kaum eine Dosis, dann gibt es wiederum Abende/Nächte an denen sich mein Krankheitsbild mir keine Ruhe lässt und ich über die 0,3g hinaus die Dosis erhöhen muss um die Ausartung unter Kontrolle zu bekommen. "

Ein wenig Zeit verstrich und das Urteil wurde verkündet... Schuldig!
Mein Kopf realisierte nicht wie mir in dem Moment geschah. Ich wurde in zwei Punkten für schuldig befunden.

Punkt1: Die missbräuchliche Einnahme von meinem Cannabis indem ich nur Joints rauche (Nur anhand der Aussagen der Beamten ohne Beweise? Ohne Dokumentation über meiner Aussage damals? Es wurde nie etwas gefunden bei mir dass darauf deuten könnte..)
Punkt2: Das Missachten der verordneten Anweisung hinsichtlich auf die Art der Einnahme und die Dosis der Einnahme (Die Art der Einnahme? Ich sagte doch bereits dass ich Vaporisiere! Dosis? Ich konnte mich doch (logisch?) erklären?)
Zu Punkt 2 fügte die Richterin, ja sie selbst, noch hinzu und unterstellte mir folgendes bzgl. der Dosis:
"Ja dann können Sie das ja so machen indem sie 1 oder 2 Tage nichts konsumieren und am dritten Tag aus freizeitlichen Genüssen das dann alles nachholen"
Ich dachte ich spinne nach dieser Aussage! Ich wurde in zwei Punkten schuldig gesprochen weil zu Punkt 1 die Polizisten etwas behaupteten und in Punkt 2 die Richterin selbst mir was unterstellte!

Ich dachte ich wäre in der Hauptverhandlung weil es darum ging diese Punkte auszuräumen:
- Drogentypische Auffälligkeiten -> wurde ausgeräumt und durch Zeuge als auch ärztl. Bericht bewiesen
- Gab sich als Schmerzpatient ohne Nachweis aus -> wurde ebenso ausgeräumt da ich meine Anweisung ja abgegeben hatte und der Beamte zugab meine Anweisung auf der Dienststelle gesehen zu haben und gegen meinen Arzt mutmaßte.

Ich dachte das wären die Punkte um die es sich handelte, auf einmal Schuldzuspruch für Dinge die man mir (meiner Meinung nach) nur unterstellte ohne Beweise.
Ich fühle mich der Justiz aufs gröbste betrogen. Meine Strafe: Bußgeld erhöht, Auslagen und Gerichtskosten muss ich übernehmen sowie 2 Punkte und 1 Monat Fahrverbot.
Habe ich denn wirklich plötzlich alles falsch gemacht? Ich verstehe gar nichts mehr.

Ich glaube ich habe eine Woche Zeit Berufung einzulegen, aber kann man da wirklich noch was machen? Oder gehe ich dieser Strafe unausweichlich entgegen? Was passiert dann falls ich das Bußgeld bezahlen sollte? Wäre es dann kein Schuldgeständnis sodass die Führerscheinstelle einen Grund dafür hat mir eine MPU hinsichtlich auf die Überprüfung meiner Fahrtüchtigkeit anzuordnen?
Mir fehlt es aktuell vorne und hinten an jedes finanzielle Mittel für sowas. Ich bin neu zugezogen hier in der Gegend und lebe über Zeit in einer WG bis die untere Wohnung frei wird um diese dann zu beziehen. Meine Ersparnisse sind für Möbeln, Küche etc. gedacht und nun werde ich eine Wohnung beziehen und hab nicht mal eine Couch zum sitzen..

Meine Intuition sagt mir dass es noch nicht gewesen sein darf. Ich fühle mich zu Unrecht verurteilt. Meine Anwältin scheint mit der Gesetzeslage regelrecht überfordert zu sein und kann keine Aussage über Erfolgsaussichten machen. Sie möchte dieses Urteil soweit auf sich beruhen lassen, aber ich finde dass das einfach nicht Rechtens ist, auf keiner Weise. Ich bin nicht kriminell! Es fühlt sich aber trotzdem so an als wolle man mich um jeden Preis kriminell haben wollen...



Das ist nun meine Geschichte die sich am 11.01.2021 bis 09.07.2021 ereignete. Ich hoffe dass die Türen nicht vollständig geschlossen sind und ich aus dieser Sache noch irgendwie herauskomme...


Eckdaten zu den Lokalitäten:
Tatort: Bellenberg (Bayern)
Dienststelle: Illertissen (Bayern)
Amtsgericht: Neu-Ulm (Bayern)


Danke für eure Aufmerksamkeit. Falls ihr fragen haben solltet, dann fragt darauf los.



Mit freundlichen Grüßen
Willy :)
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Martin Mainz
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Re: Cannabis Patient schuldig gesprochen | Hilfe

Beitrag von Martin Mainz »

Hallo willushka und willkommen im Forum!
willushka hat geschrieben: So 11. Jul 2021, 21:10 ich möchte mich eben kurz fassen
Das ist dir schon mal nicht gelungen ;)

TLDR:
Cannabis-Patient seit 2018
Allgemeine Verkehrskontrolle
Nur alte (ungültige) Anweisung vorgelegt (Rezept?)
Blutabnahme auf Revier
Anweisung nachgereicht und auch Rezept(?)
Strafe per Post
Einspruch
Gerichtsverhandlung
Polizei unterstellt Konsum via Joint und nicht Vap
Richterin unterstellt falsches Einnahmemuster
Urteil: schuldig wegen falscher Einnahmeform und falschen Mengen (reine Unterstellung)
Revision?


Ich hoffe, ich habe das so richtig zusammengefasst. Eine Widerspruch scheint mir sinnvoll, allerdings ist das natürlich auch eine Frage des Geldes. Bist du Mitglied im DHV (eine kostenlose Beratung durch Fachanwalt)? Oder im IACM, die helfen evt. auch. Auch die Grüne Hilfe (googlen) kann dich unterstützen in deiner Entscheidung.

Insgesamt natürlich eine riesige Frechheit, aber wenn Beamten sich mal auf was eingeschossen haben, lassen die selten wieder los und rudern zurück.

Eine Option, wenn die wirklich nicht locker lassen, wäre auch die Normenkontrollklage des DHV zu verwenden (viewtopic.php?f=19&t=11501), um den Fall mit vors Bundesverfassungsgericht zu bringen. Aber da du ja eigentlich unschuldig bist, ist das nicht so ganz der passende Weg. Wenn die dich aber als Schuldigen abstempeln, vielleicht doch.
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M. Nice
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Re: Cannabis Patient schuldig gesprochen | Hilfe

Beitrag von M. Nice »

Hallo willushka.

Das mit der variablen Einnahme war nicht geschickt (gut), von dir zu sagen. Das ist ein Angriffspunkt.
Ich kann dir nur raten, nimm einen Fachanwalt für Verkehrsrecht. Ob du in deinem Fall einen Anspruch auf einen Pflichtverteidiger (kostenlos) hast kann ich nicht sagen, glaube aber eher nein.


Tut mir leid, dass ich dir nicht besser helfen konnte.

MfG
M. Nice
Rauchst du zwei Stund Hanf hinein, wirst du müd und schläfst bald ein!
willushka
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Re: Cannabis Patient schuldig gesprochen | Hilfe

Beitrag von willushka »

Hallo und danke für die Antworten und den herzlichen Empfang.

Meine Anwältin (Fachanwältin für Verkehrsrecht) wird eine Rechtsbeschwerde aufsetzen. Ich wollte mich dennoch erkundigen welche Optionen ich noch habe und hole mir input wo es nur geht.

Deine Zusammenfassung ist korrekt.

Ich bin weder Mitglied beim DHV noch beim anderen. Was das Geld angeht, da ist mir alles Recht solange ich meine Rechte wahren kann. Da ich davon ausgehen kann dass man mir eine MPU verordnet um meine Fahrtauglichkeit sicherzustellen.

Die Aussage der Variablen Einnahme war blöd, ja. Aber das entspricht meiner Wahrheit wie ich das Handhabe auf die Nachfrage hin weshalb in meiner Anweisung 0,3g/Tag drin steht, in der ärztlichen Untersuchung aber plötzlich 0,5g verzeichnet wurde. Da hoffte ich auf die menschliche Kulanz der Richterin.

Grüße
Freno
Beiträge: 758
Registriert: Do 7. Jan 2021, 17:00

Re: Cannabis Patient schuldig gesprochen | Hilfe

Beitrag von Freno »

M.E. besteht die Problematik nicht nur dieses Falles darin, daß es bezüglich medizinischem Cannabis im Straßenverkehr keine allgemein verbindlichen gesetzlichen Richtlinien gibt - dazu gibt es in diesem Forum einiges zu lesen - und aufgrund der relativ jungen Legalisierung von medizinischem Cannabis auch noch keine "gefestigte höchstrichterliche Rechtssprechung". Die berühmten "Promille-Grenzen" bei Alkohol entstammten bekanntlich jahrzehntelang entsprechender Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs - auch hier hatte sich der Gesetzgeber jahrzehntelang "gedrückt".

Das eröffnet natürlich den unteren Instanzen von der "Vollzugspolizei" bei Kontrollen über Bußgeld- und Führerscheinstellen der Verwaltung bis hin zu den Gerichten entsprechende Freiräume, die regional sehr unterschiedlich ausgenutzt werden können. Alleine deswegen ist es sehr schwer, zu prognostizieren, welchen Ausgang und welche Weiterungen dieses Bußgeldverfahren - MPU/Fahrerlaubnisentzug - nehmen könnte. Zudem gibt es hier das Problem, daß die ärztlich vorgeschriebene Dosis wohl offenkundig überschritten worden war. Zudem ist eine Menge von 0,5g Cannabis am Tag schon recht hoch - das entspricht ca. 15g / Monat und diese Dosis liegt deutlich über derjenigen des "normalen Freizeit-Kiffers". Ich bin selbst seit 1 Jahr Cannabispatient und komme seither mit 6 g im Quartal aus (wovon nur 3 g medizinisches Cannabis mit THC sind, die mit 3 g frei verkäuflichem "CBD-Kraut" gemischt werden).

Diese relativ hohe Dosis für die vergleichsweise "weiche" Diagnose von gelegentlichen Schlafstörungen ist durchaus geeignet, Mißtrauen von Behörden und Justiz zu fördern. Man kann "staatlicherseits" durchaus zu dem Verdacht kommen, daß hier Mißbrauch der Verschreibungsmöglichkeit von Cannabis getrieben würde - auch wenn man das nicht beweisen und ins Urteil schreiben kann. Aber das könnte das "kryptische" Motiv sein, daß hinter einem solchen Urteil stehen könnte. Auf jeden Fall ist eine solch hohe Dosis erklärungsbedürftig - und auch, daß man auch unter Einfluß einer solchen Dosis imstande sein kann, ein Kfz im Verkehr zu führen. Ich selbst nehme mein Cannabis tagsüber Tropfenweise als Tinktur oder als "sticks" zu mir, überschlägig sind es im Durchschnitt ca. 70 mg pro Tag (eine konkrete Anweisung gibt es bei mir nicht - mein Psychiater lässt mir insofern freie Hand). Mit 300 oder gar 500 mg ( = 0,3 - 0,5 g) pro Tag wäre ich selbst nicht mehr imstande, auf dem Boden zu liegen, ohne mich mit beiden Händen festzuhalten. Zudem sind meine Diagnosen wesentlich "härter" (PTBS, borderline, Zwangstörungen, Angststörung usw usw).

Mir fällt auch auf, daß der ungeheuer detailierte Bericht im Startpost genau 1 sehr wichtige Frage völlig auslässt: nämlich wann die letzte Einnahme von Cannabis vor der Kontrolle stattgefunden hatte. Diese Frage wird regelmässig schon bei der Kontrolle gestellt, selbstverständlich auch vom Gericht in der Verhandlung. Dazu liest man hier auffälligerweise gar nichts. Die Ergebnisse der Blutprobe kann ich nicht interpretieren, wohl aber werden von den Polizeibeamten cannabis-typische Symptome beschrieben. Man kann sich nun auf den Standpunkt stellen, daß die Polizeibeamten "routiniert" gelogen hätten - aber man kann auch annehmen, daß ihre Darstellungen im wesentlichen richtig sind und das wird das Gericht wohl getan haben und möglicherweise zu dem Schluß gekommen sein, daß die letzte Einnahme von Cannabis (deutlich) weniger als 24 h zurückgelegen haben müsste, wie es die ärztliche Verordnung vorsieht: vor dem Schlafengehen. Es findet sich aber ein Hinweis darauf in der Urteilsbegründung: die Annahme nämlich, daß der Patient je nach Entwicklung seiner Symptome von der rezeptierten Dosis Teile für "Freizeit-Kiffen" abzweige. Meiner Erfahrung nach hält die Wirkung von Cannabis 3-5 h an, nach 24 h dürfte eigentlich für "Dritte" keine Wirkung mehr wahrnehmbar sein, es sei denn durch Blutuntersuchung o.ä.

Die Befürchtung, daß die Führerscheinstelle alsbald tätig werden könnte, erscheint von daher sehr berechtigt und man sollte sich darauf einrichten. Dazu gehört zunächst, die ärztliche Verschreibung künftig peinlich genau einzuhalten. Dazu gehört auch, sich auf weitere, erhebliche Ausgaben für einen Rechtsstreit um die Fahrerlaubnis einzurichten.

Die Anordnung einer MPU beim "Ersttäter", der ein Fahrverbot von 1 Monat nach einer Trunkenheitsfahrt ohne Fahrfehler oder Unfallverursachung "gefressen" hat, wäre ungewöhnlich - aber wie schon gesagt: bei Cannabis fehlen solche Regeln völlig. Deswegen hat die Führerscheinstelle ein großes Ermessen und kann durchaus eine MPU anordnen - aber diese Anordnung kann auch genau deswegen auf dem Verwaltungsrechtsweg angefochten werden. Dieser Rechtsweg dauert idR sehr lange und solange die Anfechtung der Anordnung der MPU nicht bestandsfest ist, passiert erstmal nichts. Wenn dann nach Jahr und Tag die mündliche Verhandlung vorm Verwaltungsgericht stattfindet, und es seither keine "Auffälligkeiten" mehr gab, ist die Chance groß, daß das Verwaltungsgericht die Behörde zur Rücknahme der Anordnung motiviert - und den Kläger zum Verzicht auf Auslagenersatz. Ebenso kann sich die Rechtslage in den nächsten Jahren, auch während der Dauer der Verfahren, zugunsten des Betroffenen ändern, wenn es zur Regierungsbeteiligung von "cannabisfreundlichen" Parteien kommen sollte.

Ich muss aber zugeben, über die aktuellen Führerschein-Vorschriften nicht im Bilde zu sein - ich würde mich insofern mit meinem Anwalt beraten wollen.
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