Gefängnisse sind teuer, ungerecht und gefährlich – reißt sie ein!

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Freno
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Re: Gefängnisse sind teuer, ungerecht und gefährlich – reißt sie ein!

Beitrag von Freno »

Jenun - die Autorität, "definitiv", dh abschließend, über die Verfassungsmässigkeit von Gesetzen zu befinden, steht dem BVerfG zu, das sich in seiner berühmten Haschisch-Entscheidung gerade auch mit der Frage der Verhältnismässigkeit befasst hatte. Es hat sie bejaht, weil schon das BtMG in der seinerzeitigen Fasssung die Möglichkeit des Absehens von Strafe in Fällen "geringer Schuld" vorsah und auch 'definitiv' festgestellt, daß geringe Eigenverbrauchsmengen von Cannabis als solche Fälle geringer Schuld anzusehen sind. (Ich muß allerdings bekennen, das Urteil nicht nochmals gelesen zu haben, lediglich das abstract bei Wiki - die Erstlektüre erfolgte kurz nach der Veröffentlichung). Soweit ich sehe, wird auch seither in der Praxis regelmässig so verfahren. Der Verfolgungsdruck hat seither stetig abgenommen, die gesellschaftliche Akzeptanz umgekehrt zugenommen. Die Zulassung von "medizinischem Cannabis" durch den Gesetzgeber markiert einen weiteren wichtigen Schritt in Richtung auf die Legalisierung - oder genauer gesagt: Entkriminalisierung - von Cannabis.

Man kann sich natürlich berühmen, das Verfassungsrecht theoretisch besser im Griff zu haben, als das BVerfG - aber in der Praxis dringt man damit nicht durch. Man kann sich auch auf den Standpunkt des "dissenting vote" des Richters Sommer aus der o.g. Entscheidung stellen und in einem Musterprozeß versuchen, das BVerfG zur Aufgabe seiner bisherigen Rechtssprechung zu bringen. Das kann funktionieren - ich habe selbst als Anwalt in dem einzigen Steuerprozeß, den ich je geführt habe, den Bundesfinanzhof dazu gebracht, von seiner vorherigen Rechtssprechung (in einer reichlich marginialen Frage des Bilanzrechts) abzugehen - wohl der größte juristischer Erfolg meiner leider nur relativ kurzen Anwaltskarriere, zumal ich eigentlich ja von Steuerrecht niemals wirklich Ahnung hatte. Aber so ein Unterfangen ist einigermaßen riskant und auch sehr teuer. Ohne Anwalt kann man sich leicht in den Fallstricken des Prozeßrechts verfangen und letztendlich ist es das BVerfG selbst, das durch unanfechtbare Entscheidungen eine Verfassungsklage nicht annehmen kann. Diese Nichtannahmeentscheidung braucht noch nicht einmal begründet zu werden.

Da jedoch was Cannabis angeht, der Zug eindeutig in Richtung Entkriminalisierung dampft, wäre es m.E. eine Donquichoterie, nochmals einen Gang zum BVerfG zu suchen.
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Re: Gefängnisse sind teuer, ungerecht und gefährlich – reißt sie ein!

Beitrag von Cookie »

Dann hältst Du also das hier für reine "Donquichoterie": viewtopic.php?f=19&t=11501 ?
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Freno
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Re: Gefängnisse sind teuer, ungerecht und gefährlich – reißt sie ein!

Beitrag von Freno »

Ja.

Sowas ist historisch gesehen garnicht so selten. Mein Lieblingsbeispiel ist die rechtliche Gleichstellung von Frauen, die sich alle möglichen Suffragetten an ihre Fahne heften - tatsächlich war sie nicht eine Folge der Frauenbewegung, sondern der Weltkriege des 20. Jahrhunderts, in denen jeweils Abermillionen Männer für die Massenheere benötigt und der Volkswirtschaft entzogen worden sind - oftmals sogar "nachhaltig". Da diese Funktionen jedoch wieder besetzt werden mußten, um weiter Krieg führen zu können, zog man die Frauen heran - zwangsweise. Die Bedenken und Proteste der Wissenschaft, nach deren damals aktuellem Stand Frauen nicht nur für die allermeisten Berufe völlig unfähig seien und zudem durch ausserhäusliche Berufstätigkeit furchtbare Schäden an Leib und Seele erleiden würden, schob man ebenso schlankerhand beiseite, wie die Nazis ihre patriarchalische Ideologie. Der "Schaffnerinnenstreit" ist sogar öffentlich geführt worden: Schaffnerinnen als Zugführerinnen wären zu Vorgesetzten von Männern - dem Lokpersonal - geworden ! Für prinzipienfeste Nazis eine Unmöglichkeit ! Am Ende des Krieges wurden sie schließlich sogar Offiziere. Beate Uhse war 1945 noch zum Hauptmann der Luftwaffe aufgestiegen. Nicht die Frauen haben sich bewegt - sie sind bewegt worden. Niemals vorher sind va in Deutschland so viele Frauen so schnell in so viele Berufe gekommen, wie 1939-45 und liesen sich auch nach 1945 nicht mehr vertreiben. Die Frauenbewegung kommt mir dagegen vor, wie die Petersilie auf den Bratkartoffeln, die von sich behauptet, sie hätte die Bratkartoffeln überhaupt erst möglich gemacht.
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Re: Gefängnisse sind teuer, ungerecht und gefährlich – reißt sie ein!

Beitrag von Cookie »

Nun, "Don Quijote" meinte ja bekanntlich was anderes, nämlich das Ankämpfen gegen "nicht vorhandene Windmühlen", doch ist unser "Kampf" ja real. Aber ich weiß, was Du meinst... ein aussichtsloser Kampf. Also eher eine "Sysiphos-oterie" :D. Die Meinung kann man haben, wir größtenteils aber nicht.
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M. Nice
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Re: Gefängnisse sind teuer, ungerecht und gefährlich – reißt sie ein!

Beitrag von M. Nice »

Ich glaube nicht, dass die Politik, auch nach den Wahlen, zeitnah was ändern wird. Ich glaube das Verfassungsgericht wird schneller reagieren und das BtmG zu unseren Gunsten ändern.

MfG
M. Nice
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