Gefängnisse sind teuer, ungerecht und gefährlich – reißt sie ein!

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AtzeTonfrei
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Re: Gefängnisse sind teuer, ungerecht und gefährlich – reißt sie ein!

Beitrag von AtzeTonfrei »

Danke für diesen Artikel :heart:
jojobu
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Re: Gefängnisse sind teuer, ungerecht und gefährlich – reißt sie ein!

Beitrag von jojobu »

Ein absolut toller Artikel! Aber wie die Autorin selbst hinzufügte, eine "Utopie".
Hierfür müsste ein gesellschaftliches Umdenken was Straftäter betrifft, stattfinden. Das ist wahnsinnig schwierig, aber wenn die richtigen Leute mit diesen Meinungen gehört werden, könnte es vielleicht mal dazu kommen.
Sehr empfehlen kann ich den Strafverteidiger Andre Miegel aus Duisburg. Er hat einen unglaublich tollen Youtube Channel mit gutem Content, und mit seiner Einstellung zu Straffälligen verbreitet er auf jeden Fall eine positive Message. Er plant auch weitere Projekte, um sich für eine Reformierung einzusetzten. :)
Freno
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Re: Gefängnisse sind teuer, ungerecht und gefährlich – reißt sie ein!

Beitrag von Freno »

Also ich finde Gefängnisse voll ok - ich wohne nämlich neben einem und das ist total cool. Neben dem Knast will niemand wohnen und deswegen sind die Mieten unglaublich günstig. Für meine Einraumwohnung mit 40 qm und Aufzug und Balkon zahle ich grad mal 320 warm und vorm Balkon ist eine Wiese, wo morgens und abends die Rehe rumhüpfen und nach so 100m kommt der Waldrand und nach so 300 m kommt der Knast. OK - anfangs war es gewöhnungsbedürftig: abends haben die Insassen einen Heidenlärm gemacht. Ich wollte schon an den Lagerkommandanten schreiben, daß ich ja einsehe und gutheisse, daß die Aufrechterhaltung der Disziplin in so einem Lager oftmals drakonische Maßnahmen erfordert, aber ich darum bitten würde, diese im Interesse der Anwohner nicht im Freien, sondern im Inneren der Gebäude zu vollziehen. Aber das hat schon bald jemand vor mir getan, weil der Lärm hat deutlich abgenommen. Und sicherer, als neben dem Knast kann man kaum wohnen in der Großstadt !

Der Knast dient schlicht der Aufrechterhaltung der Norm, der Regel, des Gesetzes. Das Gesetz ist immer etwas, was die Freiheit einschränkt, seine Triebe auszuleben, seine Wünsche zu verwirklichen. Wer zB den Wunsch hat, Frauen aufzuschlitzen, kann davon nur abgehalten werden, wenn gelegentlich jemand wegen Aufschlitzens von Frauen in den Knast kommt und dort vermodert, oder - noch besser - irgendwann als Psycho-Wrack wieder ausgespuckt wird. Seht her ! So ergeht es Euch, wenn ihr Frauen aufschlitzet, Banknoten fälschet, Cannabis ohne Rezept rauchet oder bei Rot über die Ampel gehet ! Dabei ist es überhaupt nicht wichtig, ob derjenige, der da im Knast wegen irgendwas zum Wrack gemacht wird, tatsächlich was verbrochen hat - es ist nur wichtig, daß es heißt, daß er im Knast zum Wrack gemacht wurde, weil er was verbrochen hat. Sigmund Freud erzählt mal irgendwo einen alten Witz: In einem einsamen Bergdorf muß einer der drei Schneider gehenkt werden, weil der einzige Schmied ein furchtbares Verbrechen begangen hat. So funktioniert Rechtsstaat, Gerechtigkeit und "die Demokratie". Freilich ist es besser, wenn derjenige, der zum Wrack gemacht wird, wirklich ein "Täter" war, aber wenn nicht, ist es auch nicht so schlimm, solange es nicht zuviele Unschuldige sind, die zum Wrack gemacht werden.

Man braucht nicht unbedingt Gefängnisse, die ihre Insassen zum Wrack machen - es geht auch anders und sehr gut ! Man kann auch anders bestrafen. Man kann Leute an den Pranger stellen, auspeitschen, kastrieren, ihnen die Hand oder einen Fuß abschlagen, oder den Kopf oder man kann sie erschießen, bei lebendigem Leib verbrennen, von den wilden Tieren zerreissen lassen, sie ans Kreuz schlagen ... das hat immerhinque einige tausend Jahre hervorragend funktioniert, "die Gesellschaft" zusammengehalten. Solche Methoden haben durchaus etwas für sich: jemanden bei lebendigem Leibe auf dem Marktplatz zu verbrennen, dürfte heutezutage kaum mehr als 100.000 € kosten - v.a. für die Absperrungsmaßnahmen. Ein Platz im Knast kostet 150.000 - 250.000 € im Jahr ! Wenn man also Leute nicht in den Knast schickt, sondern bei lebendigem Leibe verbrennt, könnte man für die vielen hunderttausende, gar Millionen viel mehr tun für Klimaschutz, Inklusion, Flüchtlinge und die Gleichstellung von Mann und Frau, die Menschenrechte im Allgemeinen ... das sollte einem schon mal zu denken geben ! Aber man muß ja nicht gleich immer die Leute verbrennen, man kann sie auch bei geringeren Vergehen nur auspeitschen oder schmerzfrei an den Pranger stellen, das kostet dann noch viel weniger und bringt noch mehr für Klimaschutz und Menschenrechte und überhaupt !

"Ey Aldär ... spinnst Du ?" - Nö, ich wollte nur versuchen, zu erklären, warum Gefängnisse zwar nicht gut sind, aber immer noch viel besser, als ihre Alternativen.
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Martin Mainz
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Re: Gefängnisse sind teuer, ungerecht und gefährlich – reißt sie ein!

Beitrag von Martin Mainz »

Nach der Logik verbrennen wir einfach alle Menschen und dann sind alle anderen Probleme auch gelöst.
Freno
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Re: Gefängnisse sind teuer, ungerecht und gefährlich – reißt sie ein!

Beitrag von Freno »

@ Martin Manz

Und was sollte man Deiner Logik nach mit Leuten machen, die Frauen aufschlitzen, Kinder ficken, Bilanzen um 1,5 Milliarden fälschen wie bei wirecard - oder mit den vielen Leuten die andere Leute erpressen, zusammenschlagen, ausrauben ? Sie in Therapie schicken und dann nach ein paar Monaten, ein, zwei Jahren wieder auf die Menschheit loslassen ?

Der Knast hält leider nicht alle davon ab, so 1 sch***e zu veranstalten, aber sehr, sehr viele.
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Martin Mainz
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Re: Gefängnisse sind teuer, ungerecht und gefährlich – reißt sie ein!

Beitrag von Martin Mainz »

Ja, ich glaube an Rehabilitation. Nur nicht so, wie wir das gerade machen. Gibt bessere Rückfallquoten.
Freno
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Re: Gefängnisse sind teuer, ungerecht und gefährlich – reißt sie ein!

Beitrag von Freno »

Ich war zwar nicht oft im Knast, alles in allem keine 10x - aber oft genug, um zu wissen, daß es die Hölle ist. In der praktischen Juristenausbildung, dem "Referendariat" war ich u.a. 6 Monate bei der Staatsanwaltschaft und am Ende war 1 Tag im Knast angesagt. Es ist ein brutales Gewaltsystem - weniger von den Wärtern, Aufsehern, der Leitung (allesamt Juristen im Range von Staatsanwälten) - als der Gefangenen untereinander. Dieses Gewaltsystem traumatisiert viele - sie werden zu "Knackis", die nur noch nach den Regeln dieses Gewaltsystems leben können und immer wieder "nachhause" zurückkehren.

Nicht alle werden traumatisiert - für so einige ist der Knast eine Chance. Eine langjährige frühere Freundin von mir war ein Ex-Junkie, die im Knast die Kurve gekriegt hatte. Sie hatte im Rahmen der Suchtfinanzierung versucht, ne Bank auszurauben. Als ich sie kennenlernte, war sie freigestellte Betriebsratsvorsitzende einer großen Einrichtung der Behindertenhilfe - nicht "ganz oben" aber weiter oben, als die Meisten. Aber solche Verläufe sind - meiner Lebenserfahrung nach - eher Ausnahmen.

Später dann, in meiner aktiven Zeit als Anwalt, hatte ich nur einen einzigen Mandanten, der in U-Haft saß. Ihn zu besuchen, war schon schrecklich genug. Es war 1 ziemliches Arschloch und ich habe das Mandat noch vor Anklageerhebung niedergelegt, weil er mich immer und immer wieder belogen hatte. Letztendlich ist er über seine eigene Schläue gestolpert und hatte 6 Jahre gesessen. Ich bin heute noch einigermaßen stolz darauf, daß von meinen Strafmandanten, die ich durch die Hauptverhandlung gebracht habe, keiner gesessen hatte.

"Rehabilitation" ist möglich, setzt aber eine enorm große "Eigenleistung" des "Rehabilitanten" voraus, die zu erbringen nur sehr wenigen gegeben ist. Der Grund dafür ist verhältnismässig einfach: die meisten sind zu dumm dafür. Paul Julius Möbius, um 1900 eine Koryphäe der Psychiatrie, beanwortete die Frage nach dem durchschnittlichen Geisteszustand der Deutschen mit "leicht schwachsinnig". An dieser Diagnose hat sich bis heute nichts geändert. Nur darf man sie nicht mehr aussprechen. Möbius lebte zu Kaiser Willems Zeiten, in der "neoabsolutistischen" wilhelminischen Monarchie, da konnte man sowas noch sagen. In der Demokratie ist sowas unmöglich: "die Demokratie" entzöge sich selbst ihre Legitimation, wenn sie es zuließe, daß man feststellen würde, daß 60-80% "der Wähler", oder "des Volkes" schlicht: Deppen sind.
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Re: Gefängnisse sind teuer, ungerecht und gefährlich – reißt sie ein!

Beitrag von Cookie »

Freno hat geschrieben: Di 27. Jul 2021, 23:40 In der Demokratie ist sowas unmöglich: "die Demokratie" entzöge sich selbst ihre Legitimation, wenn sie es zuließe, daß man feststellen würde, daß 60-80% "der Wähler", oder "des Volkes" schlicht: Deppen sind.
Das trifft jedoch zu, auch wenn es nicht gesagt werden darf ;). Die Demokratie halte ich u. A. deswegen auch für eine Illusion.
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Freno
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Re: Gefängnisse sind teuer, ungerecht und gefährlich – reißt sie ein!

Beitrag von Freno »

"Rohheitskriminalität" ist ein immer drückender werdendes Problem va in urbanen Verhältnissen. Auf dem Dorf, wo jeder jeden kennt, kann man nicht einfach einem anderen ein Messer vorhalten und ihm Geldbörse und smartphone abnehmen - man würde sofort "auffliegen". In der Stadt taucht man aus der anonymen Menge auf und verschwindet wieder in ihr, die Verhütung und Aufklärung solcher Straftaten erfordert eine enorme polizeiliche Organisation.

Sie ist aber auch eine enorm dumme Kriminalitätsform: für ein paar kleine Scheine werden jedesmal Straftatbestände verwirklicht, die für 1-2 Jahre Knast ausreichen können und für ein desaströses "Führungszeugnis", daß man in unseren Zeitläuften immer öfters vorlegen muß. Die Täter gehen ein enormes Risiko für einen minimalen Ertrag ein und dafür drängt sich Dummheit als Erklärung geradezu auf. Leuten, die aus Dummheit "tatgeneigt" sind, kommt man eben nur mit nacktem, schieren Terror bei: die Angst vor dem Knast muß ihnen beständig im Nacken sitzen und dafür muß der Knast eben schrecklich sein.
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M. Nice
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Re: Gefängnisse sind teuer, ungerecht und gefährlich – reißt sie ein!

Beitrag von M. Nice »

Hohe Strafen verhindern keine Straftaten.
Das bestätigt sich auch in manchen asiatischen Ländern, trotz Todesstrafe (schon ab 100g Hanf), wird Handel damit getrieben.

MfG
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Re: Gefängnisse sind teuer, ungerecht und gefährlich – reißt sie ein!

Beitrag von Cookie »

M. Nice hat geschrieben: Sa 31. Jul 2021, 08:28 Hohe Strafen verhindern keine Straftaten.
So sieht's aus! Ich wollte das schon antworten...
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Martin Mainz
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Re: Gefängnisse sind teuer, ungerecht und gefährlich – reißt sie ein!

Beitrag von Martin Mainz »

Und ich würde Verzweiflung anstelle der Dummheit vermuten. Knast muss rehabilitieren und abschrecken. Aber nicht mit Terror!
Freno
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Re: Gefängnisse sind teuer, ungerecht und gefährlich – reißt sie ein!

Beitrag von Freno »

https://de.wikipedia.org/wiki/Nulltoleranzstrategie

Die Kriminologie sieht das anders. Die ... äh ... humanitären Versuche seit den 1970er Jahren, mit Toleranz, milden Sanktionen und allerlei Maßnahmen zur Resozialisierung der Rohkriminalität Herr zu werden, sind sämtlich gescheitert, die Nulltoleranz-Strategie dagegen funzt. Das beste Beispiel ist New York - Guilliani, der als Attorney diese Strategie erfolgreich gefahren hatte, ist nicht umsonst Bürgermeister geworden.

Strafen im allgemeinen, hohe Strafen im Speziellen haben auch nur einen relativen Präventionseffekt. Verbrechen kann man ebensowenig ausrotten, wie das schlechte Wetter oder die Grippe. Es genügt jedoch, die Kriminalität auf einem so niedrigen Maß zu halten, daß sich die Menschen sicher fühlen in ihrer Gemeinde, deren Umfeld, ihrem Land.

Gegen gewisse Arten von Straftaten, die aus psychischen Zwängen heraus von psychisch Geschädigten begangen werden, versagen solche Präventionsmaßnahmen ohnehin völlig. Diese Straftaten sind zwar spektakulär - die "Frauenaufschlitzer" usw - aber statistisch gesehen marginal.
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Re: Gefängnisse sind teuer, ungerecht und gefährlich – reißt sie ein!

Beitrag von Cookie »

Freno hat geschrieben: Sa 31. Jul 2021, 21:19 Die Kriminologie sieht das anders.
Ja, wenn sie Anhänger der "Nulltoleranzstrategie" sind vielleicht... aber so im Allgemeinen stimmt das nicht. Nach der Strategie müsste ja auch die "Drogenbekämpfung" funktionieren, aber offenbar tut sie das nicht. Sicher müssen "Schwerverbrecher" weg gesperrt und so die Allgemeinheit vor ihnen geschützt werden, aber wo diese Grenze zum schweren Verbrechen liegt, ist wohl eine Frage der Toleranz einer Gesellschaft. Nach jetziger Definition gehören dazu auch Dealer und Anbauer (und auch reine Konsumenten) der Pflanze, das sehen ich und andere aber völlig anders, zumindest bis zu einer gewissen Grenze. Hinzu kommt, dass du beim Anbau sofort (wenn er auffliegt) auch potentiell zu den Dealern gezählt wirst, was vollkommener Quatsch ist.
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Re: Gefängnisse sind teuer, ungerecht und gefährlich – reißt sie ein!

Beitrag von Freno »

Ich habe "Nulltoleranz" in Zusammenhang mit Rohkriminalität gestellt und halte sie in diesem Zusammenhang auch für richtig. "BtMG" fällt als solches nicht unter Rohkriminalität, wenngleich es in Randbereichen Überschneidungen gibt - von "Bandenkriegen" beim organisierten Verbrechen bis zur Beschaffungskriminalität, die aber, was Cannabis anbelangt, äusserst selten sein dürfte - wenn man vom dealen zur Finanzierung des Eigenbedarfs mal absieht.

Kriminalität hat nun mal ein unglaublich weites Spektrum - ebenso wie die Praxis der Strafverfolgung. Man sollte, auch wenn wir hier im Hanf-Forum sind, nicht immer alles auf Cannabis herunterbrechen.

Auch der oftmals vorgebrachten humanistischen These, daß der Knast die Gesellschaft vor Verbrechern schützen solle, kann ich nicht zustimmen. Die "Sicherungsverwahrung" für notorische Verbrecher, die praktisch auf eine zeitlich unbefristete, oftmals lebenslange Freiheitsstrafe hinausläuft, ist verhältnismässig selten. Die normale, zeitlich befristete Freiheitsstrafe dient nicht zum Schutz der Gesellschaft vor dem konkreten Verbrecher, sondern, wie gesagt: im wesentlichen zur "Generalprävention": "Tatgeneigte" sollen abgeschreckt werden.

Es gibt aber auch noch weitere Funktionen: im Sinne der "Individualprävention" soll der verurteilte Straftäter von Wiederholungen abgehalten werden. Ganz wichtig, aber in der öffentlichen Diskussion oftmals unbeachtet bleibt die "Genugtuung" - die Rache - für das Opfer, die der Rechtsstaat sozusagen stellvertretend für das Opfer vollzieht. Wer Opfer einer Straftat wird, zumal einer Straftat gegen Leben und körperliche Unversehrtheit, hat das Bedürfnis, seinen Täter bestraft zu sehen. Erst hierdurch wird das Opfer mit dem Geschehen versöhnt, sein Vertrauen zu Staat und Gesellschaft wieder hergestellt (was aber auch nicht immer funzt, aber wenigstens meistens).

Auch diese Genugtuung ist eine Funktion, die bei "BtMG" und insbesondere Cannabis eigentlich weitgehend leerläuft: es gibt kein "Opfer" von Kiffern, die lediglich mit ihrem Eigenbedarf erwischt werden, auch nicht von "reelen" dealern. Aber auch hier gibt es Randbereiche: dealer "harter" Drogen, die unbedarfte Leute "anfixen" beispielsweise. Bei Cannabis geht es ausschließlich um die Stabilisierung der Norm - einer Norm, die aber arg im Wackeln ist. Aber die Diskussion um diese Norm ist schon weit im OT.
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Re: Gefängnisse sind teuer, ungerecht und gefährlich – reißt sie ein!

Beitrag von Cookie »

Wenn es bei Kriminalität nicht um Cannabis geht, solltest Du das deutlich sagen und um welche Form der Kriminalität.
Freno hat geschrieben: So 1. Aug 2021, 19:43 Auch diese Genugtuung ist eine Funktion, die bei "BtMG" und insbesondere Cannabis eigentlich weitgehend leerläuft: es gibt kein "Opfer" von Kiffern, die lediglich mit ihrem Eigenbedarf erwischt werden, auch nicht von "reelen" dealern.
Genau darauf wollte ich hinaus. Dann sind wir ja im Wesentlichen einer Meinung ;). Dass das BtMG diese Unterscheidung / Abstufung nicht macht, ist auch der Grund, warum es verfassungswidrig ist. Hier werden Menschen dafür eingesperrt, dass sie sich - im Zweifel - selbst schaden. Was soll der Unfug?

Und die Grenzbereiche gibt es nur, weil das Ganze ein illegales Geschäft ist. Wäre es ein reguliertes, legales Geschäft, hätten diese Leute daran kein Interesse mehr. Wie die Prohibition von Alkohol in den USA damals.
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Re: Gefängnisse sind teuer, ungerecht und gefährlich – reißt sie ein!

Beitrag von Freno »

Über die Verfassungsmässigkeit des BtMG als solchem braucht man wohl nicht zu streiten: es dürfte auch hier anerkannt sein, daß es eine Reihe von Substanzen gibt, die nur sehr restriktiv ärztlich verabreicht werden sollten und deren unkontrollierte Verbreitung zu unterbinden durchaus legitim ist.

Über die Verfassungsmässigkeit der Aufnahme von Cannabis unter diese Restriktion kann man dagegen streiten. Hier wird regelmässig Verfassungswidrigkeit angenommen - das BVerfG jedoch als insofern maßgebliche Instanz hat sie, soweit ich sehe, bislang stets verneint. Das Verfassungsrecht ist ein bissl zur "kleinen Münze" der politischen Auseinandersetzung geworden. Jedweder Aktivist behauptet gerne, daß die Erfüllung seiner "Forderungen" sowieso "zwingend" von der Verfassung geboten wären, bzw die von ihm bekämpften Umstände "offenkundig eklatant verfassungswidrig" wären. Der Mühe, die verfassungsrechtliche Lage juristisch zu prüfen, braucht man sich für diese vollmundigen Behauptungen ja nicht unbedingt zu unterziehen.

Die gebotene Differenzierung zwischen Cannabis einerseits und "harten Drogen" andererseits hat das BVerfG jedoch in seinem berühmten "Haschisch-Urteil" schon vor 1/4 Jahrhundert vorgenommen. In der Rechtspraxis muß man es schon ganz schön doll (Handel) treiben, um wegen Cannabis heutzutage noch eingesperrt zu werden.

Abstrakt betrachtet ist das BtMG eine staatliche Maßnahme zur Gefahrenabwehr, die immer von Ermessens- und Prognosentscheidungen abhängt. Ein eindeutiges richtig oder falsch gibt es in diesem Bereich des Lebens kaum. Diese Entscheidungen zu treffen ist Aufgabe des Gesetzgebers, dem dazu ein großer Ermessenspielraum eingeräumt wird.
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Re: Gefängnisse sind teuer, ungerecht und gefährlich – reißt sie ein!

Beitrag von Cookie »

Doch, um die Verfassungsmäßigkeit des gesamten BtMG geht es mir. Natürlich besonders im Zusammenhang mit Cannabis, aber auch bzgl. jeder anderen Droge. Es muss jeder selbst wissen, womit er sich schadet oder nicht. Ansonsten... nun, wir kommen wohl nicht überein in vielen Punkten.
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Re: Gefängnisse sind teuer, ungerecht und gefährlich – reißt sie ein!

Beitrag von Freno »

Cookie hat geschrieben: Mo 2. Aug 2021, 12:19 ... Es muss jeder selbst wissen, womit er sich schadet oder nicht. Ansonsten... nun, wir kommen wohl nicht überein in vielen Punkten.
Es müsste jeder selbst wissen, womit er sich schadet oder nicht - aber viele wissen es aufgrund erheblicher kognitiver Defizite - Dummheit - eben nicht. Aber hier sind wir in einer schon philosophischen Sphäre angekommen ... Es ist nicht nötig, in allen Punkten Übereinstimmung zwischen uns herzustellen, solange es uns gelingt, der aktuellen Mode zu widerstehen, jeden, der andere Auffassung ist, als verantwortungslosen Faschisten, Verächter der Menschenrechte usw usw zu diffamieren.

Nebenbei: einer der Gründe, warum ich gegenüber der Argumentation mit der Verfassung ganz allgemein sehr zurückhaltend bin, liegt genau darin: der Andersdenkende wird so im nächsten Schritt zum Verfassungsfeind gestempelt.
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Re: Gefängnisse sind teuer, ungerecht und gefährlich – reißt sie ein!

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"Nicht verfassungskonform" oder "verfassungswidrig", verfassungsfeindlich klingt fast kriegerisch ;). Nun, es gibt sicherlich eine ganze Reihe von Gesetzen, die man darauf überprüfen lassen müsste, aber mit dem BtMG kenne ich mich aus. Es ist definitiv nicht verfassungskonform, da die Verfassung ja Grundlage für unsere freiheitliche Demokratie ist, dessen Gesetze daher auch dem Verhältnismäßigkeitsprinzip unterliegen, wenn Freiheitsrechte eingeschränkt werden.
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