Zunahme der Cannabis-Konsumdelikte in Berlin wirft Fragen auf

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BUMMBUMM
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Zunahme der Cannabis-Konsumdelikte in Berlin wirft Fragen auf

Beitrag von BUMMBUMM »

bezugnehmend auf die:
DHV News Zunahme der Cannabis-Konsumdelikte in Berlin wirft Fragen auf
https://hanfverband.de/nachrichten/news ... fragen-auf

Ich vermisste beim lesen die graphische Untermalung der Datenlage, ausserdem fand ich die Aussagen zu den 2-3 präsentierten zahlen reichlich weitgehend, vllt auch ein bisschen reisserisch :>

Deswegen und weil es nun mal mein Ding is sich kritisch mit komplizierten Sachen auseinanderzusetzen, präsentiere ich hier die Polizeiliche Kriminalstatistik Berlin 2011-2018 optisch, in Farbe und Bunt. :lol:

Datensatz:

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jahr	2009	2010	2011	2012	2013	2014	2015	2016	2017	2018
gesamt	11708	11546	11238	12238	13348	13465	15753	14880	16077	17266
aufgeklärt	10597	10473	10095	10859	11843	11826	13754	13095	14123	15284
aq	90,5%	90,7%	89,8%	88,7%	88,7%	87,8%	87,3%	88,0%	87,8%	88,5%
davon										
allgemeine verstöße (besitz)			8638	9540	10495	10470	11925	11012	12028	13365
Cannabis besitz			6439	6972	7373	7308	8298	7317	7741	8336
Cannabis handel/schmuggel			1113	1150	1057	1130	1936	1852	1892	1629
summe Cannabis			7552	8122	8430	8438	10234	9169	9633	9965
prozente										
summe Cannabis von gesamt			67,20%	66,37%	63,16%	62,67%	64,97%	61,62%	59,92%	57,71%
besitz Cannabis von gesamt			57,30%	56,97%	55,24%	54,27%	52,68%	49,17%	48,15%	48,28%
handel Cannabis von gesamt			9,90%	9,40%	7,92%	8,39%	12,29%	12,45%	11,77%	9,43%
besitz Cannabis von besitz			74,54%	73,08%	70,25%	69,80%	69,58%	66,45%	64,36%	62,37%
besitz von gesamt			76,86%	77,95%	78,63%	77,76%	75,70%	74,01%	74,81%	77,41%
Dazu muss ich sagen das die Werte vor 2015 nicht einfach abgetippt werden konnten, da sie in den Berichten nur als unbestimmter Posten mit bestimmter Veränderung zum Vorjahr geführt wurden, teilweise sogar nur die prozentuale Änderung, nicht die fallzahl-änderung...
Naja das heisst aber auch die Statistik is verbessert worden 2015 oder so, ist ja auch was wert ;)
PKSBerlin1.jpg
PKSBerlin1.jpg (166.18 KiB) 3617 mal betrachtet
diagramm 1:
Absolute Fallzahlen, wobei "gesamt" die Gesamtheit aller in der Statistik als Rauschgiftdelikte geführten Fälle darstellt. Statistisch aufgeteilt werden diese in allgemeine Verstöße, Handel/Schmuggel, und Rest; wobei allgemeine Verstöße einfach nur der Besitz von BTM is.
Am Diagramm ist im prinzip nicht viel zu sehen, alles liegt mehr oder weniger im trend der gesamt-fälle
nur cannabis handel/schmuggel fällt auf. die sind eindeutig weniger geworden.
Und noch mal explizit für die die das offensichtliche nicht sehen, die Fallzahlen sind gestiegen. Da es sich hierbei um Kontrolldelikte handelt heisst das, das hat nichts mit der Menge an Drogen auf den Straßen zu tun, sondern nur mit dem Einsatz der Polizei.

PKSBerlin2.jpg
PKSBerlin2.jpg (105.5 KiB) 3617 mal betrachtet
diagramm 2:
hier mal trends in prozentualen anteilen aufgedröselt. "gesamt" bezieht sich wieder auf die Gesamtheit aller aufgeführten Rauschgiftdelikten.
Auffallend ist hier das sich die allgemeinen verstöße(besitz von gesamt, türkis sternchen) (im dhv artikel liebevoll konsumbezogene delikte genannt) deutlich erhöht haben vom anteil her an den gesamten rauschgiftdelikten in den vergangenen 2 Jahren. Das deutet auf eine stärkere kontroll-präsenz der polizei hin.
die pks bestätigt das teilweise in textform:
Polizeiliche Kriminalstatistik Berlin 2018 hat geschrieben:Rauschgiftdelikte sind Kontrolldelikte, d. h., die Anzahl der festgestellten Verstöße ist zu einem
erheblichen Teil von der Kontrolltätigkeit der Polizei abhängig. An bekannten Treffpunkten der
Drogenszene, u. a. Warschauer Brücke und Görlitzer Park, werden weiterhin zahlreiche re-
pressive polizeiliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität durchgeführt.
sehr schade das dies auf kosten der ermittlungen nach btm händlern gegangen ist (-10,4% gesamthandel, -13,9% Cannabishandel; Fallzahlen gegenüber 2017).

ein schöner trend hingegen ist, dass bei den allgemeinen verstößen der anteil von cannabis besitz gesunken ist in den vergangenen 3 jahren, immer 2% jedes jahr (besitz cannabis von besitz, lila kreuz).
das der Anteil "besitz von Cannabis" dennoch annähernd gleichgeblieben ist von den gesamten Rauschgiftdelikten (rot quadrat), ist einfach dem entschiedenen hochfahren der Kontrollen geschuldet. und das da in absoluten zahlen dann mehr als im vorjahr rauskommen (+7,7%) ist bei der steigerung der gesamten Rauschgiftdelikten (+7,4%) nur normal.

Der rest sagt nur noch mal deutlich das die beim handel allgemein und beim cannabis handel besonders nicht mehr so hinterher sind, weswegen der anteil aller cannabisdelikte an den gesamten rauschgiftdelikten ebenfalls rückläufig ist (blau Karo).
  • Also der trend der polizei, weg von der ermittlung und hin zur repression ist zwar nicht zu begrüßen, dass dann aber beim festgestellten besitz prozentual weniger cannabisbesitzer über die klinge springen müssen ist ne gute sache.
    Diese Verringerung des Cannabisbesitzeranteils kann natürlich auch bloß deswegen der fall sein, weil cannabis von kokain und meth verdrängt wird (also marktanteil-mäßig, crystal soll sich ja einer rapide steigenden beliebtheit im osten erfreuen ^^), oder mehr im harten drogen miliue kontrolliert wird, oder die polizei tatsächlich öfter mal ein auge zudrückt bei Cannabis.
Die statistik lässt dazu nicht wirklich aussagen zu, im prinzip nur das mehr kontrolliert/repressiert wird.
Ein Blick auf die anderen Daten bestätigt dies, zb die Zahlen bei Straftaten gegen das Aufenthalts-, Asyl- und Freizügigkeitsgesetz; sowie anderer Kontrolldelikte.

Soll heissen es ist keine explizite BTM jagd aus meiner Sicht, sondern eher eine vermehrte Straßenpräsenz und Brennpunktaktionismus der Polizei.
...In der Presseerklärung sprach Geisel trotz des Anstiegs der Betäubungsmitteldelikte von einem Erfolg. Berlin ist Innensenator Geisel zufolge " wieder ein Stück sicherer geworden", da die Zahl der insgesamt erfassten Straftaten 2018 um 1,7 Prozent zurückgegangen sind....
Ob das sinken der Straftaten, allen voran Diebstahldelikte, nun den Anstrengungen der Polizei geschuldet ist, oder doch eher dem Trend folgt, dass Diebstähle einfach nicht mehr zur Anzeige gebracht werden wegen zeitverschwendung. Aufm Papier sieht Berlin mit 1,7% Rückgang tatsächlich sicherer aus.

Innensenator Andreas Geisel (SPD) ist dieses nun seit dezember 2016, also hat er das hochfahren der präsenz auf jedenfall mitgetragen. das er trotzdem der meinung is, das legalisierung sinn macht, ist bei der betrachtung der pks nur naheliegend.
2018 waren 58% aller rauschgiftdelikte cannabisbezogen (besitz+handel). in relation zu den gesamtstraftaten macht cannabis zwar nur 1,95% aus, aber 11,88% aller Kontrolldelikte.
Wenn Cannabis also wegfällt, würde das die Kontrolltätigkeit der Polizei immens erleichtern und den Bereich Rauschgift geradezu überschaubar/handhabbar machen ^^

ps: sorry fürs ausschweifen, hatte teile vorgeschrieben

Edit: damits kein mimimi von der polizei gibt, hier explizit die Quellen:

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https://www.berlin.de/polizei/_assets/verschiedenes/pks/polizeiliche_kriminalstatistik_berlin_2018_-_kurzuberblick.pdf
https://www.berlin.de/polizei/_assets/verschiedenes/pks/pks_kurzueberblick.pdf <- 2017 Arschgeile Bennenung btw
https://www.berlin.de/polizei/_assets/verschiedenes/pks/pks_kurzbericht_2016.pdf
https://www.berlin.de/polizei/_assets/verschiedenes/pks/pks-kurzbericht-2015.pdf
https://www.berlin.de/polizei/_assets/verschiedenes/pks/pmk_kurzbericht_2014.pdf
https://www.berlin.de/polizei/_assets/verschiedenes/pks/pks_2014.pdf
https://www.berlin.de/polizei/_assets/verschiedenes/pks/pks_2013.pdf
https://www.berlin.de/polizei/_assets/verschiedenes/pks/pksjahrbuch2012.pdf
https://www.berlin.de/polizei/_assets/verschiedenes/pks/pks_berlin_2017.pdf
Stand: 03.03.2019
Zuletzt geändert von BUMMBUMM am Mo 4. Mär 2019, 15:02, insgesamt 1-mal geändert.
Ernst Berlin
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Re: Zunahme der Cannabis-Konsumdelikte in Berlin wirft Fragen auf

Beitrag von Ernst Berlin »

Toller Beitrag.

Ich habe dazu folgende Fragen.
Würde berücksichtigt das es eine erhebliche Zuwanderung in die Stadt gab?
Das mit den Flüchtlingen aus Kriegsgebieten auch schwer Traumatisierte Menschen sind die vermutlich auch teilweise Cannabis nutzen?

Und, das ist auch interessant, wie viele Anzeigen wurden am ende Eingestellt und es wurde für den Papierkorb gearbeitet.

Aber nochmal, beeindruckende Arbeit.
Privat Sponsor des DHV seit 06.10.2009... Wann machst du mit? :D
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Re: Zunahme der Cannabis-Konsumdelikte in Berlin wirft Fragen auf

Beitrag von BUMMBUMM »

Die Antwort auf deine erste Frage steht mehr oder weniger auf Seite 2 der Statistik aber gut, ich hab mich ja auch damit beschäftigt damit da nicht jeder reingucken muss ;)
Häufigkeitszahl
Um eine Aussage bezüglich der Kriminalitätsentwicklung zu treffen, ist es sinnvoll bzw. not-
wendig, die Fallzahlenentwicklung im Zusammenhang mit der Bevölkerungsentwicklung zu
betrachten. Das erfolgt durch die Berechnung der Häufigkeitszahl, welche angibt, wie viele
Straftaten je 100.000 Einwohner registriert werden. Gemäß Amt für Statistik Berlin Branden-
burg hat sich die Bevölkerungszahl gegenüber dem Vorjahr um über 38.000 auf 3.613.459
erhöht. Die Fallzahlen haben sich dagegen verringert, so dass je 100.000 Einwohner und Ein-
wohnerinnen nur noch 14.160 Straftaten registriert wurden, 398 Taten weniger als im Vorjahr.

Bei der Betrachtung der Häufigkeitszahl bleiben nicht dauerhaft in Berlin lebende Personen
(z.B. Pendler oder Touristen und Touristinnen) unberücksichtigt, was gerade für Berlin zu einer
gewissen Unschärfe dieser Betrachtungsgröße führt. Gemäß Amt für Statistik hat der Touris-
mus in Berlin in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Die Anzahl der Gäste aus dem
In- und Ausland ist kontinuierlich gewachsen, ebenso die Zahl der Übernachtungen. Dieser
Trend setzte sich mit 32,87 Mio. Übernachtungen (+5,5%) und 13,5 Mio. Gästen (+4,1%) im
Berichtsjahr fort.
Die Berliner-Dauer-Bewohner sind also um 1% angewachsen, Rauschgiftdelikte sind aber um 7,4% gestiegen.
Inwiefern das Amt für Statistik illegale mitzählt kann ich dir nicht sagen.

Zu deiner zweiten Frage kann ich auch nichts sagen, da die ausführliche version der PKS 2018 noch nicht veröffentlicht ist, sondern bisher nur der Kurzüberblick.
Ausgehend von den vorherigen pks würden in der langen version zumindest die täterzahlen aufgeschlüsselt sein in deutsche und nicht-deutsche. Wieviele dieser nicht-deutschen dann aber traumatisierte Kriegsflüchtlinge sind kann keiner sagen ^^

Deine dritte Frage ist eine sehr gute Frage. Die pks gibt allerdings nur ihre Aufklärungsquote(AQ) an.
Aufklärung heisst im Kontext der pks:
Aufgeklärter Fall
ist die Straftat, die nach dem (kriminal-) polizeilichen Ermittlungsergebnis mindestens ein Tat-
verdächtiger begangen hat, von dem grundsätzlich die rechtmäßigen Personalien (z. B. mittels
Ausweisdokument, ED-Behandlung usw.) bekannt sind.
Rauschgiftdelikte haben knapp 90% AQ die letzten jahre, von dem Rest kannst du ausgehen das es sich bei 99% der Fälle um Straftaten von Personen geht, die sich nicht ausweisen können/wollen oder die auf Zuruf einfach nicht stehen geblieben sind :>

über die juristische verarbeitung geht es in der Polizeilichen Kriminalstatistik aber nicht, sondern nur um die polizeibekannte Kriminalität.
Soll heissen es gibt keine Daten darüber, wieviel die bei Cannabisbezogenen Delikten für den Papierkorb gearbeitet haben....
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