Abhängigkeit ist (eigentlich) kein Therapiehindernis

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Aleã
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Abhängigkeit ist (eigentlich) kein Therapiehindernis

Beitrag von Aleã »

Abstinenz keine Voraussetzung für integrierte Expositionstherapie bei Suchtkranken mit posttraumatischer Störung

http://www.medscapemedizin.de/artikel/4900067
In einer australischen Studie reduzierte sich die Symptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) stärker, wenn die Patienten neben der üblichen Entwöhnungstherapie an einem integrierten Therapieprogramm teilnahmen, in dem die PTBS und die Suchterkrankung gemeinsam angegangen wurden.

[...]

Doch es gibt Bedenken, ob diese Therapieform bei suchtkranken PTSB-Patienten das Rückfallrisiko erhöhen könnte. (...) „Experten und Ärzte sind deshalb immer davon ausgegangen, dass Menschen, die gerade mit einer Abhängigkeitserkrankung zu kämpfen haben, nicht in der Lage sind, mit den bei dieser Therapie ausgelösten starken Emotionen umzugehen.“

[...]

Die Abhängigkeitsraten waren ebenfalls in beiden Gruppen gesunken, hier zeigte sich jedoch kein signifikanter Unterschied zwischen Therapie- und Kontrollgruppe. Auch die Schwere der Abhängigkeit hatte in beiden Gruppen ähnlich abgenommen.

… obwohl die Patienten weiter Drogen nahmen!

[...]

Kathrine Mills erläutert: „Wir stimmen zu, dass Patienten schon erste Verbesserungen ihrer Drogenabhängigkeit zeigen und zu alternativen Bewältigungsstrategien in der Lage sein sollten, bevor mit einer Expositionstherapie begonnen wird. Doch unsere Studienergebnisse beweisen, dass Abstinenz keine Voraussetzung ist. Frühere Untersuchungen zeigen sogar, dass eine wirksame Behandlung der PTBS förderlich auf die Entwöhnungstherapie wirken kann.“
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Meiner Meinung nach diskriminiert die Drogenprohibition an 1.Stelle Ärzte & Patienten, u.A. dadurch, dass diese generell kontrolliert und bei kontrollierten Drogen eben die entsprechenden harten Auflagen gelten.

Mich wundert jedoch dennoch, dass tatsächlich die Meinung herrscht, dass eine Abstinenz bei einer Abhängigkeit (von illegalen Drogen) unbedingt an 1.Stelle gehört und sogar als Voraussetzung einer Therapie der Grunderkrankung gesehen wird. Eine Abhängigkeitserkrankung hat doch (fast) immer eine Verbindung mit einer unbehandelten Grunderkrankung oder -störung und gehört demnach mit in einer individuellen Therapie?

Da stellen mir einige Fragen:

- Wie ist es bei einer Alkoholabhängigkeit & PTBS? Im o.g. Text wird Alkohol nicht erwähnt.
- Gibt es ähnliche Richtlinien bei Therapien bei anderen Krankheiten und Störungen, dass eine Abstinenz vor der Behandlung von einem Arzt besser nachgewiesen werden sollte? Bzw. Ärzte nur bei einer Abstinenz, die Verantwortung einer Therapie übernimmt?
- Wie steht es generell mit den Behandlungsmöglichkeiten von Grunderkrankungen, wenn man gleichzeitig eine Abhängigkeitserkrankung besitzt? Ist es schwerer eine Therapie der Grundproblematik bei einem Arzt zu beginnen, wenn man eine Abhängigkeit besitzt, auf Grund von Richtlinien und Verantwortungsklauseln etc. oder fehlenden Experten auf beiden Gebieten? Bei welchen Drogen?
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overturn
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Re: Abhängigkeit ist (eigentlich) kein Therapiehindernis

Beitrag von overturn »

Hallo, Aleã!
Aleã hat geschrieben: Mich wundert jedoch dennoch, dass tatsächlich die Meinung herrscht, dass eine Abstinenz bei einer Abhängigkeit (von illegalen Drogen) unbedingt an 1.Stelle gehört und sogar als Voraussetzung einer Therapie der Grunderkrankung gesehen wird.
Die vorherrschende Meinung, der Konsum einer Substanz löse die entsprechende Abhängigkeit aus, diese also auf das Gebiet der Psychopharmakologie reduziert, lässt streng genommen auch nur diesen Schluss zu. Keine große Überraschung ,)

Dafür aber tatsächlich inkonsequent (obwohl man hier vermutlich das Gegenteil beabsichtigt), denn es bedarf keineswegs den Konsum, um von einer Abhängigkeit zu sprechen. Das zumindest, haben beispielsweise auch die Anonymen Alkoholiker begriffen, und bezeichnen sich u.U. auch nach dauerhafter Abstinenz, weiterhin als abhängig. Das mag eventuell auch aus einer weiteren Geisteshaltung hervorgehen, der ich aber entschieden widerspreche, und zwar der Vorstellung, ein Mal Alkoholiker, immer Alkoholiker. Auf der anderen Seite, kann man durch, trotz oder mit Konsum eine Abhängigkeit überwinden. Dies ist auch mehrheitlich der Fall.

Grüße!
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