Straferlaß nach der Legalisierung

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moepens
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Straferlaß nach der Legalisierung

Beitrag von moepens »

Mehrere Bundesländer planen Entlassung von Häftlingen

Angesichts der geplanten Legalisierung von Cannabis ab dem 1. April wollen mehrere Bundesländer Inhaftierte aus den Gefängnissen entlassen.
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Die niedersächsische Justizministerin Wahlmann sieht die Staatsanwaltschaft in der Pflicht, alle Akten durchzusehen und festzustellen, ob Haftstrafen weiter gerechtfertigt sind. Falls Personen wegen Besitzes oder Handels mit bis zu 25 Gramm Cannabis im Gefängnis säßen, dürfe die Strafe nicht weiter vollstreckt werden, sagte die SPD-Politikerin.
Quelle: https://www.deutschlandfunk.de/mehrere- ... n-102.html


Suchworte: Amnesie
pepre
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Registriert: Di 19. Okt 2021, 11:31

Re: Straferlaß nach der Legalisierung

Beitrag von pepre »

https://www.lto.de/recht/justiz/j/canna ... stiz-btmg/
Rückwirkender Straferlass bereitet Sorgen
Straf­justiz droht Cannabis-Kol­laps
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Die Norm regelt, dass noch nicht vollstreckte Strafen zu erlassen sind, wenn die der Strafe zugrunde liegende Tat nicht mehr strafbar ist.

Im Fall des CanG bedeutet die Anwendung von Art. 313 EGStGB konkret: Mit Inkrafttreten des Gesetzes müssen bereits verhängte, aber noch nicht (vollständig) vollstreckte Strafen für Taten nach dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG), die nach dem CanG nicht mehr strafbar oder mit Geldbuße bedroht sind, erlassen werden. Und in Fällen tateinheitlicher oder tatmehrheitlicher Verurteilungen ("deliktische Mischfälle") wäre die (Gesamt-)Strafe gerichtlich neu festzusetzen.
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Da sich am Stichtag eine Vielzahl von Verfahren noch in der Vollstreckung befänden, müssten die betroffenen Verurteilten an dem Tag unverzüglich aus der Haft oder der Maßregeleinrichtung entlassen werden.

Geht es die Justiz dabei zu langsam an, machen sich die Verantwortlichen unter Umständen strafbar: Schließlich werden bereits leichtfertige Fehler von der Strafdrohung des § 345 Strafgesetzbuch (StGB) – Vollstreckung gegen Unschuldige – erfasst. Diese erfasst sämtliche Amtsträger, also nicht nur die in der Strafjustiz mit dem jeweiligen Sachverhalt befassten Personen, sondern gleichermaßen Polizeibeamte und Bedienstete des Justiz- und Maßregelvollzugs.
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Tja... harmlose Bürger zu kriminalisieren war halt von Anfang an keine gute Idee.
... Auch wäre zu überlegen, den Straferlass an einen Antrag des Verurteilten zu knüpfen – schon um zu verhindern, dass Verfahren angesichts der Flut zu überprüfenden Akten übersehen werden. ...
Die sollten dann halt nicht monatelang rumliegen. Aber das "Mimimi! Sooo viel Arbeit!" ist einfach nur zum Fremdschämen.
Freno
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Re: Straferlaß nach der Legalisierung

Beitrag von Freno »

Ich glaube, das Problem wird etwas übertrieben: "nur" wegen bis zu 25 g Cannabis wird man normalerweise nicht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, die auch vollstreckt werden muß, also nicht zur Bewährung ausgesetzt wird.

Der reine Besitz von solchen Mengen wird meiner Erfahrung nach - sofern es nicht eh zu Verfahrenseinstellungen gem. §§ 153, 153a StPO kommt, normalerweise mit Geld- oder Bewährungsstrafen geahndet, erst recht, wenn es sich um "unbescholtene" Ersttäter handelt.

Anders sieht es jedoch aus, wenn es sich um Mehrfachtäter handelt, deren Vorstrafen, erst recht "einschlägige" Vorstrafen mehrere Seiten in der BZR-Auskunft ausmachen. Bei solchen "Stammkunden" der Strafjustiz liegen oft auch regelmässig anderweitige Vorstrafen vor, von "Rohkriminalität" über Betrug der Sozialversicherung bis zu "harten" Delikten.

Zudem gibt es "Qualifikationen" zum Verbot des Besitzes von Cannabis, die auch nach dem Entwurf zum CanG strafbar bleiben: Weitergabe, insbesondere Handeltreiben, "Rauschtaten" und hier insbesondere die "Rauschfahrten".

Es ist durchaus denkbar, daß ein Delinquent, der mehrfach einschlägig vorbestraft ist, wegen "Handeltreiben" mit zB 10 g Cannabis dann doch einmal zu einer Haftstrafe verurteilt wird - und eine solche Verurteilung wird durch den Entwurf des CanG nicht berührt, er muß seine Strafe weiter "abbrummen", weil das "Handeltreiben" weiter verboten bleiben soll. Von der "Stufe 2" der Legalisierung mit den "lizensierten Fachgeschäften", die legal Handel treiben können sollen, sind wir schließlich noch weit entfernt !

Die Anzahl der "Haftsachen", die durch das CanG ihre Erledigung finden werden, dürfte also m.E. sehr überschaubar bleiben und keinen ungewöhnlichen Mehraufwand an Arbeit für die Justiz bedeuten, soweit es um Verurteilungen zu Haftstrafen wegen weniger als 25g/50g Besitz (und sonst nix !) geht.

Es gibt allerdings 2 Fallgruppen, die etwas komplizierter gelagert sind:

1) Bei BtM-Delikten kommt es häufiger vor, daß Haftstrafen zur Bewährung ausgesetzt werden und als Bewährungsauflage unter anderem "Drogenabstinenz" verordnet und regelmässige ärztliche Überprüfung angeordnet wird. Ein "Auffliegen" mit 3 g "THC-Cannabis" kann dann schon ein Grund sein die Bewährung zu widerrufen.

2) In der Praxis sehr bedeutsam, aber öffentlich kaum bekannt, ist die "Gesamtstrafenbildung" bei Mehrfachtätern. Wer kurz hintereinander wegen verschiedener Delikte vor Gericht steht und verurteilt wird, wird zunächst zu einer Strafe verurteilt, die sodann in eine "Gesamtstrafe" eingestellt wird, in die alle früheren, noch nicht erledigten Verurteilungen einbezogen werden. Die StPO regelt nur, daß die Gesamtstrafe nicht höher sein darf, als die Summe der "Einsatzstrafen". Regelmässig gibt es einen gewissen "Mengenrabatt".
Es kann nun sein, daß eine Verurteilung wegen Besitzes von 10 g Cannabis nach bisherigem Recht dazu führt, daß bei der Gesamtstrafenbildung die Grenze überschritten wird, bei der eine Bewährungsaussetzung noch möglich ist - 2 Jahre Freiheitsstrafe maximal - und es so dann doch zu einer vollstreckbaren Haftstrafe kommt. Die 10 g Cannabis sind dann sozusagen der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen gebracht hat.

Ich muß bekennen, keine Ahnung zu haben, wie mit diesen Fällen nach Inkrafttreten des CanG umgegangen werden soll oder muß - mit beiden Fallgruppen - Bewährungswiderruf, Gesamtstrafenbildung - hatte ich selbst in meiner Praxis kaum Berührung.
Cexpert
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Registriert: Sa 27. Jan 2024, 23:07

Re: Straferlaß nach der Legalisierung

Beitrag von Cexpert »

Freno hat geschrieben: So 18. Feb 2024, 21:04 Ich glaube, das Problem wird etwas übertrieben: "nur" wegen bis zu 25 g Cannabis wird man normalerweise nicht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, die auch vollstreckt werden muß, also nicht zur Bewährung ausgesetzt wird.
Nun, in Bayern gibt es viele Fälle, bei denen reine Konsumenten ohne Vorstrafen mit nicht geringen Mengen an Sunbsanzten (auch weniger über der Grenze) eine Haftstrafe ohne bewährung bekamen. Das, obwoh sie "nur" süchtig waren, kein Handel. Das reicht für die süddeutschen Beamten zum Wegsperren. Ich wollte mich nicht mit 25g Cannabis dort erwischen lassen.
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