aaaaaaaaalso... zu dem Thema habe ich viel zu sagen...
Mein drogenpolitisches Leben begann mit einer Selbstanzeige, das war 1996. Ich war damals Sprecher der Grünen in Remscheid und wir haben zusammen mit der Grünen Jugend Remscheid eine kleine drogenpolitische Kampagne gemacht, in deren Verlauf ich mich selbst angezeigt habe wegen Besitz von 4 Gramm Gras. Ich habe der Polizei einen Brief geschrieben, dass ich das zu Hause habe und meine drogenpolitischen Forderungen dazugeschrieben.
Allein über den danach folgenden Prozess bis zum Bundesverfassungsgericht kann ich eine ziemlich lange amüsante Geschichte erzählen, aber ich kürze das jetzt hier mal ab. Wenn ihr mehr wissen wollt, googelt doch mal "Georg Wurth + Selbstanzeige". Die ersten 4 Treffer passen...
Das ganze war ein großer Erfolg, was die Öffentlichkeitsarbeit anging. Durch meine Stellung als Grüner Politiker und begleitende Pressearbeit ging das sofort durch die lokalen Medien (Zeitung, Radio, Fernsehen) und ein paar Tage später war´s auch in der Bild. Und das ganze bei jedem weiteren Verfahrensschritt.
Ich hatte mit einer Einstellung des Verfahrens gerechnet wegen geringer Menge. Allerdings hatte ich angegeben, dass ich mir das Gras hatte schenken lassen für diese Aktion. Damit war kein Eigenkonsum gegeben, was aber eine der Voraussetzungen für die Einstellung ist. Wenn es eingestellt worden wäre, würde ich vielleicht heute ganz andere Dinge tun und es gäbe den DHV nicht in der Form, jedenfalls nicht mit mir.. Die wollten es wissen, jetzt haben sie mich am Hals.
1998 haben wir dann über die Grüne Jugend (Bundesverband) eine bundesweite Selbstanzeigenkampagne gemacht. Das ist die Geschichte, die hier auch schon erwähnt wurde. Es sind am gleichen Tag zur gleichen Uhrzeit 12 Leute in 5 Bundesländern zur Polizei gegangen und haben ca. 2 Gramm auf den Tisch gelegt - Besitz zum Eigenkonsum. Diesmal war die Medienresonanz nicht so groß, aber immerhin hat die Bild-Zeitung in Leipzig berichtet und irgendwo war auch ein Kamera-Team dabei. Diese Verfahren sind alle eingestellt worden.
Allerdings wurden 3 Leute im Kreis Neuss mit dem Führerscheinthema konfrontiert, das damals noch relativ neu war. Unter diesen dreien war damals Theo Pütz, der heute der "Führerscheinpapst" ist, seinen Führerschein immer noch hat und sich auf das Thema Drogen und Führerschein spezialisiert hat. Ein ganz ähnlicher Effekt wie bei mir also.
Wegen der Gefahr für den Führerschein haben wir dann aber davon abgesehen, die Aktion noch einmal in größerem Maßstab zu wiederholen, weil uns die Verantwortung für das Leben der Leute zu groß war, denn der Führerscheinentzug ist schon eine heftige Nummer. Mittlerweile ist diese Gefahr vielleicht nicht mehr so groß, da seit 2002 der bloße Besitz einer geringen Menge Cannabis nicht mehr für Überprüfungsmaßnahmen ausreicht.
Ich denke, so eine Aktion hat nach wie vor Potential, was Öffentlichkeitsarbeit angeht. Ein gutes Beispiel dafür ist eine Kampagne für die Legalisierung von Abtreibung, die es mal gab. Im Magazin Stern hatte sich eine Reihe von Frauen dazu bekannt, abgetrieben zu haben. Später wurden die Regeln tatsächlich gelockert.
Ein paar prominente Leute im Boot würden der Sache sicher gut tun, sonst wäre Medienaufmerksamkeit nicht unbedingt garantiert.
Das Argument, mit so einer Aktion die Behörden zu überlasten, zieht aber nicht so. Dafür bräuchte man tatsächlich sehr sehr viele Teilnehmer, das ist nicht realistisch. So viel bürokratischer Aufwand ist es ja auch gar nicht, so ein Verfahren einzustellen - und die Fälle an die Führerscheinstellen zu melden...
Wenn Verfahren bei Wiederholungstätern etc nicht eingestellt werden, erhöht sich wiederum das Risiko für die Leute und die Arbeit "lohnt sich" für die Staatsanwälte.
Beachtet auch, dass das ganze sehr viel Arbeit und gute Koordination erfordert. Alle Teilnehmer müssten Zugang zu juristischer Beratung haben und ihre Erfahrungen müssten schnell gebündelt werden. In jedem Ort müsste Pressearbeit gemacht werden sowie auch bundesweit.
Noch ein paar Worte zur Anzeige vergangenen Konsums. Eine solche Kampagne, die sich nur auf den Konsum bezieht, gibt es bereits seit vielen Jahren:
http://www.zeig-dich.de/
Diese Aktion zeigt, wie sowas im Sande verlaufen kann. Es sollen 100.000 Leute gefunden werden, sie sich wegen akutellem oder früherem Komsum selbst anzeigen. Eines der Ziele der Kampagne war, die Behörden zu überlasten. Dummerweise ist aber der Konsum an sich ja gar nicht strafbar. Von daher können die Staatsanwälte das direkt in den Müll hauen. Früher konnte man sogar noch ankreuzen, dass man regelmäßig konsumiert. Dann hätten die Führerscheinstellen die Führerscheine sofort ohne weitere Prüfung entziehen können. Die Aktion läuft jetzt seit über 10 Jahren, glaube ich. Viele der frühen Teilnehmer möchten sicher gar nicht mehr, dass das noch an die Behörden geht.
Das zeigt, wie man es konzeptionell suboptimal machen kann und dass die Zahl von 100.000 Leuten im Moment unrealistisch ist. Aber wer weiß, vielleicht gefällt dieser Ansatz ja auch einigen und ihr habt Lust, dort mitzumachen. Das wäre jedenfalls sinnvoll für die Fraktion "Konsum anzeigen" statt "Besitz anzeigen".
So, langer Beitrag..
Fazit:
Ich könnte mir vorstellen, dass wir sowas mittelfristig mal wieder angehen. Aber das muss gut überlegt sein und ich fürchte, die Orga würde den DHV im Moment überfordern. Aber wir wachsen ja stetig und haben immer mehr freiwillige Helfer, die das ganze z.B. über eine eigene Seite mit koordinieren könnten.
Die wesentliche Frage ist: Wie viele Leute wären letztlich tatsächlich bereit, trotz aller möglichen Konsequenzen da mitzumachen und damit an die Öffentlichkeit zu gehen? Und könnten wir Promis finden, die mitmachen?