Wie geht Aufklärung?

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Martin Mainz
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Re: Wie geht Aufklärung?

Beitrag von Martin Mainz »

Eine Sucht & Drogen Hotline gibts ja schon von der BZgA:

Telefon: 01806 313031
kostenpflichtig. 0,20 € pro Anruf aus dem Festnetz, Mobilfunk max. 0,60 € pro Anruf. Dieser Dienst wird unterstützt von NEXT ID.

Telefonische Drogennotrufeinrichtungen aus Berlin, Essen, Frankfurt und München haben sich auf Initiative der Drogenbeauftragten der Bundesregierung zusammengeschlossen und bieten bundesweit telefonische Beratung in Sucht- und Drogenfragen für Betroffene und ihre Angehörigen an.

Sprechzeiten: Montag bis Sonntag von 0.00 bis 24.00 Uhr
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pepre
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Re: Wie geht Aufklärung?

Beitrag von pepre »

Martin Mainz hat geschrieben: Sa 20. Nov 2021, 16:50 Eine Sucht & Drogen Hotline gibts ja schon von der BZgA:
Telefon: 01806 313031
Danke für die Info.

Ich habe mir mal die Website der BZgA angesehen. Das wirkt ... ähm ... altbacken. Zielpublikum ist wohl nicht der Kreis der Betroffenen, sondern eher der der Geldgeber :P

Ich fände eine prominente Nummer wie zB eine 113 viel sinniger. In der Schule lernen die Kids ja schon frühzeitig 110 und 112. Sowas bräuchte es auch für seelische Notlagen (gerade in diesen Corona-Zeiten dringend notwendig). Auch damit die Psyche mal aus der Tabu-Ecke rauskommt. Wie das hinter der Notfallnummer entbündelt wird ist natürlich eine logistische Herausforderung, das ist schon klar.

Mit so einer Nummer könnte man imo auch skeptische Politiker überzeugen. (Und irgendeinen Schaden hat ja jedeR ;))

Zur Aufklärung: ich denke, dass vor allem Jugendliche gut durch Formate, wie sie MaiLab und Rezo produzieren, angesprochen werden können. Die zwei haben einfach "street cred" ;) Kopfgeburten wie die Videos des BZgAs sind da wenig hilfreich.
pepre
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Re: Wie geht Aufklärung?

Beitrag von pepre »

Cookie hat geschrieben: Sa 20. Nov 2021, 15:24 ... setzt aber "ideale Menschen" voraus, die nur wenige von uns sind - also das Gegenteil von konsumgesteuerten Idioten zum Beispiel. Das heißt auch, dass nur wenige bereit sind, sich selbst erkennen zu lernen. Leider.
Ah, die uralte ethische Diskussion. :roll:

Ist es erlaubt "Idioten" - für ein höheres Ziel - zu manipulieren? Unter der Einsicht, dass sich diese Idioten ja schon manipulieren lassen, und das freudestrahlend, ist es wohl statthaft. Unter dem Aspekt des Humanismus ist es wohl komplett ausgeschlossen. Ein echtes Dilemma.

Jedoch: wie Welt brennt! Wenn man die Idioten und ihre Manipulatoren gewähren lässt, so wird es das - mit dem Überleben der Menschheit auf diesem Planeten - wohl gewesen sein. Das ist schon ein starkes Argument für auch, vom Humanismus aus betrachtet, nicht statthafte Manipulationen.

Zum Begriff "Idiot": da würde ich gerne differenzierter und sprachlich weniger abwertend vorgehen. Die Menschheit zerfällt in zwei Entwicklungsstufen: jene, die ihrem Bauchgefühl folgen, und jene, die ihr Bauchgefühl hinterfragen und eher der Wissenschaft zuneigen. Ich nenne das "Homo intelligensis" (ein Affe, der komplexer denken kann als die anderen Primaten) und "Homo sapiens" (derjenige, der sich tatsächlich von Vernunft leiten läßt).

Der Homo intelligensis zieht sein Bauchgefühl zu Rate. Seine Entscheidungen fußen auf dem Boden, den die Evolution in Jahrmillionen als richtig erscheinen läßt: mein Revier, meine Horde, mein Rang, meine Bananen, mein Silberrücken, böse Nachbar-Horde. Das erklärt echt vieles. Diskussionen erreichen bei diesen Zeitgenossen nicht viel (das weiß ich aus eigener, leidvoller Erfahrung). Das Bauchgefühl überschreibt idR jede mühsam gewonnene Einsicht binnen kurzer Zeit.

Der Homo sapiens hingegen hat begriffen, dass ihn sein Bauchgefühl trügen kann. Bei Entscheidungsfindungen bemüht er sich um eine objektive Basis. Diese bietet ihm idR die Wissenschaft.

Bildung kann also tatsächlich ein Katalysator für eine Weiterentwicklung sein. Muss aber nicht. Es gibt genug Beispiele für gebildete Menschen, die dennoch ihrem Bauchgefühl folgen. Nur können sie das, dank der Möglichkeiten der Dialektik, sauber begründen. Es wird noch komplizierter: Mischformen aus Bauchgefühl und Vernunft sind - je nach tangiertem Fachgebiet - ebenfalls möglich.

Zur Frage zurück: wie geht Aufklärung?

Sie muss breit aufgestellt sein, damit sie wirklich alle erreicht. Das führt uns vom Niveau der Bildzeitung ("Sprich das Bauchgefühl an und vermittle dabei Inhalte", aka Manipulation) bis hin zum wissenschaftlichen Diskurs.

Die Frage ist: wie holt man den Homo intelligensis ab? Ihr wißt schon: die sturen Betonköpfe, die logische Argumente ignorieren. MMn geht das nur via Manipulation. Man muss ihr Ego streicheln, ihnen Bananen geben. Ein Wohlfühldiskurs. Greif man sie an schalten sie nur auf stur. In diversen Diskussionen kam schon oft die Idee auf sowas wie die "Bild" aufzuziehen: ein Blatt, dass die Bedürfnisse und das Wir-Gefühl des Homo intelligensis bedient, dabei jedoch Inhalte vermittelt, die vernünftig sind. Oder "gerecht". Beispiel: dass 1% der Weltbevölkerung die Häfte des Gesamtvermögens besitzt ist ungerecht und nicht gottgegeben. Dahin könnte man zB das Bauchgefühl "Empörung" lenken. - Man könnte auch das Ziel "Retten wir die Welt" ausgeben. Ein großes und heheres Ziel. Die konservativen Manipulatoren können da nur ein "Pass auf! Man will dir deine Bananen wegnehmen!" dagegen setzen. Das hat zwar bis jetzt gut geklappt, aber das muss ja nicht bis in alle Ewigkeit so sein.
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Cookie
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Re: Wie geht Aufklärung?

Beitrag von Cookie »

Off-topic: "Idiot": Genau genommen heißt das Wort "Privatmann", es wird von uns nur "missbräuchlich verwendet". So wie ich es verwendet habe bspw. ;).
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Martin Mainz
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Re: Wie geht Aufklärung?

Beitrag von Martin Mainz »

Aufklärung vom BZgA - eben auf FB:
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Re: Wie geht Aufklärung?

Beitrag von Freno »

By the way: ich habe mich durch diesen thread mal wieder an einen Fall aus meiner provinziellen Anwaltspraxis erinnert, nämlich einen gerade 17 Jahre alten Schulhof-dealer, der nach eigener Angabe über fast 1 Jahr hindurch so 1500 - 2000 € im Monat verdient haben will - aber trotzdem entrüstet war, daß ich als Anwalt auch was verdienen wollte. Einen armen Schüler hätte man gefälligst umsonst verteidigen müssen ... pffft. Die Schwarzmarkt-Kenner können ja hochrechnen, wieviel dieser armer Schüler so auf dem Schulhof unter die Leute gebracht haben wird: "So funktioniert Aufklärung!" - wohl auch heute noch.

Und woran ich mich auch noch erinnere: Hans Falladas wunderbarer Zeitroman "Wolf unter Wölfen" spielt im 2. Teil der Handlung auf einem ostelbischen Gutshof zur Zeit der Hyperinflation 1922/23, wo 2 alte Tanten in mühevoller Kleinarbeit in einer 24-bändigen Gesamtausgabe von Goethe alle nach täntlicher Ansicht schweinzischen Stellen überkleben, damit Violet v. Prackwitz, die Jüngste derer v. Prackwitz, durch den Goethe nicht verdorben werden würde, wenn sie diese Gesamtausgabe zu ihrem 18. Geburtstag geschenkt bekommen soll. Daß die zZ der Überklebungs-Aktion 15-jährige Violet v. Prackwitz schon seit langem mit einem verwegenen Leutnant von der Schwarzen Reichswehr (und ehrenamtlichem Feme-Mörder) bumst, wußten diese alten Tanten natürlich nicht. "So funktioniert Aufklärung!"
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Re: Wie geht Aufklärung?

Beitrag von Freno »

Mal ernsthaft: Aufklärung über psychotrope Substanzen (die sogenannten Drogen) "geht nicht" - genauso wenig wie Aufklärung über Sexualität, weil beide Themen in unserer aufgeklärten, wissenschaftlichen Gesellschaft Tabuthemen sind. Eine "Aufklärung" würde die Tabus und Paradigmen - "Dogmen" - der Kultur verletzen bzw in Frage stellen. Über Drogen wie Sexualität wird eine Art von normativer Romantik verbreitet: kontrafaktische Phantasien (man kann durchaus auch von Wahnvorstellungen sprechen), die gleichwohl Allgemeingut und allgemein verbindlich geworden sind, Grundlagen der Erziehung, Lehrstoff in den Schulen, wissenschaftliche Erkenntnis und auch Grundlage der diesbezüglichen politischen Einstellungen.

Mein Guru Sigmund Freud hat alldies sehr ausführlich und in sprachlich brillianter Art und Weise in "Das Unbehagen in der Kultur" von 1930 auf psychoanalytischer Grundlage dargestellt - das kleine Buch von ca. 150 Seiten ist auch ein Lesegenuß und wohlfeil erhältlich - von daher leichten Herzens zu empfehlen. Er hat nicht umsonst im gleichen Jahr den Goethepreis der Stadt Frankfurt a.M. erhalten, es gibt heute einen Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa. Freud hat auch bewußt populärwissenschaftlich geschrieben, um die Psychoanalyse zu propagieren und um Geld zu verdienen (was ihm auch gelungen ist, er war in der 2. Lebenshälfte Einkommensmillionär, aber auch ein enorm großzügiger Mensch gegenüber seiner zahlreichen "Mischpoke" (zeitweise lebten über 30 Menschen in seinem Haushalt und auf seine Kosten), Freunden und Schülern). Von daher kann das Büchlein von jedem gelesen und verstanden werden, der über ein solides Abiturwissen verfügt - gleichgültig, ob er die Abiturprüfung abgelegt hat, oder nicht. Wer der psychoanalytischen Gedankenwelt fernsteht, muß ab und an gewisse Begriffe nachschlagen, was aber mit der Wiki-App für's phone ja kein Problem mehr ist.

Ich kann hier nur eine ganz grobe Skizze versuchen: Der "Kulturmensch" (Freud) wird durch unsere aktuelle Kultur an der Befriedigung seiner natürlichen psychischen Bedürfnisse weitgehend gehindert, wodurch ein Stau psychischer Anspannung, psychischer Energie erzeugt wird, die von "der Gesellschaft" ähnlich einer Steuer enteignet wird und gesellschaftlichen Zwecken ("Große Opfer und gewaltige Anstrengungen für Führer, Volk und Klimaschutz!") zugeführt wird. An den gesellschaftlichen Leistungen und Erfolgen nimmt der Kulturmensch im Wege von Projektion und Introjektion teil ("Deutschland ist Fußballweltmeister!" oder "Wir sind Papst!" oder "Mein Leben für den Verein!") und wird im übrigen durch die Leistungen der Kultur entschädigt, den sogen. "Fortschritt". Aber dieser Mechanismus funktioniert nur sehr unvollkommen, der innerpsychische Stau wird nur unzureichend abgebaut, "produziert Symptome" (Freud), wogegen die "Intoxination" (Freud) der "brutalste und effektivste Weg" ist - Intoxination, das sind "die Drogen", wobei es vollkommen gleichgültig ist, ob sie aus der Brauerei kommen, der Pharmazie oder vom dealer.

Von daher - ich gehe jetzt über den Inhalt von "Unbehagen" (wie das o.g. Werk meist kurz zitiert wird) hinaus - ist eine "Welt ohne Drogen" wenigstens heutzutage völlig undenkbar, der "war on drugs" von vorneherein ein Kampf gegen Windmühlen. Alles, was erreicht werden kann, ist ein Abdrängen in die Illegalität, was aber enorme "Nebenwirkungen" zeitigt, wie das Beispiel der US-amerikanischen Prohibition drastisch erkennen läßt: es entstehen "mafiöse" Strukturen von enormem ökonomischen und politischen Potential, die zT heute noch präsent sind - und einen Großteil des gesellschaftlichen Bedarfs an Drogen sehr effektiv befriedigen - allen rigiden Widerständen der "offiziellen" Gesellschaft zum Trotz.

[edit: der folgende Absatz wurde aufgrund eines dankenswerten wie diskreten Hinweises neu gefasst:]

Eine "Aufklärung" über die positiven Wirkungen von Drogen würde ein Anerkenntnis der Tatsache beinhalten, daß die Paradigmen, Dogmen und Tabus unserer Kultur eben jenes Bedürfnis nach "Intoxination" (Freud) einer innerpsychischen Spannung erzeugen und damit der Kultur, so wie sie sich heute in den von monotheistischen Religionen geprägten - psychoanalytisch gesprochen: ödipal geprägten - Teilen der Welt darstellt, ihre Legitimation entziehen, die beste aller möglichen Welten zu sein, was hieße: ihren eigenen Bankrott zu erklären und zu ihrer Beseitigung aufzufordern.
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Steckling
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Re: Wie geht Aufklärung?

Beitrag von Steckling »

Oder fürs Fußvolk gesagt: Veränderung tut nunmal weh.
Danke für Deine Ausführung Herr Freno :)
Herrn Freud in allen Ehren. Aber der war auch nur ein Jünger seiner Zeit.
Ich sehe keine "ideale" Welt, weder mit noch ohne Drogen. Das ist nämlich gar nicht die Frage. Psychoaktive Substanzen sind nunmal da, genauso wie die Atemluft oder das Schnabeltier: zu beidem kann man seine Meinung haben, ändert aber nichts.

Wenn ich oben das Bild vom DHV Forum anschaue, dann braucht die Jugend glaub ich gar keine aufklärende staatliche institution: die kennen alle YouTube, die haben alle nen Smartfon. Die sind allesamt aufgeklärter als jeder verspießte 70er Jahre Direx der immer noch mit der Bedienungsanleitung von seinem FAX hadert. Oder der Bulle im Klassenzimmer der mit seinen Handschellen klimpert.
Da gibt keiner was auf "Drogen sind böse, mkay? Ihr wollt doch nicht böse sein mkay? Weil wer böse Drogen nimmt ist böse, mkay?"
Aber genau diesem Direx müssen wir wohl sagen wie die Welt heute funktioniert. Bzw ihn in Rente schicken endlich.

Vielleicht ist ja auch DAS Aufkärung: einfach kein Buhei mehr darum zu machen.
Es brauchte ja auch noch nie irgendwelche staatlichen Kampagnen und Repressionen um die Jugend davor zu schützen ihre Finger in den Fingerhut zu stecken oder ungefragt fremde Hunde zu tätscheln. In den meisten Ländern braucht es auch keine Gefängnisstrafen für das Lecken an Steckdosen, oder die Todesstrafe für Selbstmord. Geht auch wunderbar ohne.

Ohnehin finde ich es wichtiger über Extremismus aufzuklären und Medienkompetenz zu vermitteln.
Reefer Madness hat dabei durchaus noch eine geschichtliche Aufklärungsfunktion so wie zB Die Brücke.
Hat ersterer doch nur noch reinen Comedy-Unterhaltungswert, so träfen doch beide klassischen Lehrfilme den selben hoch aktuellen Kern: Kinder lasst euch nicht verarschen!
Schade dass es keine volksliberale Partei gibt, aber das ist ein anderes Thema.
Zuletzt geändert von Steckling am Sa 15. Jan 2022, 08:23, insgesamt 1-mal geändert.
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Südhesse
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Re: Wie geht Aufklärung?

Beitrag von Südhesse »

Steckling hat geschrieben: Fr 7. Jan 2022, 03:35 Wenn ich oben das Bild vom DHV Forum anschaue, dann braucht die Jugend glaub ich gar keine aufklärende staatliche institution: die kennen alle YouTube, die haben alle nen Smartfon. Die sind allesamt aufgeklärter als jeder verspießte 70er Jahre Direx der immer noch mit der Bedienungsanleitung von seinem FAX hadert. Oder der Bulle im Klassenzimmer der mit seinen Handschellen klimpert.
Da gibt keiner was auf "Drogen sind böse, mkay? Ihr wollt doch nicht böse sein mkay? Weil wer böse Drogen nimmt ist böse, mkay?"
Aber genau diesem Direx müssen wir wohl sagen wie die Welt heute funktioniert. Bzw ihn in Rente schicken endlich.
Das Problem ist leider, dass der Direx sich zu hundertprozent sicher ist, dass er recht hat und weiß wie die Welt funktioniert. Das was Du beschreibst ist nichts weiter als der typische "Konservative". Den kann man nicht überzeugen, der braucht selber gar keine Argumente, der weiß es einfach besser (Punkt).

Und davon gibt es leider viel zu viele.
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Re: Wie geht Aufklärung?

Beitrag von pepre »

Steckling hat geschrieben: Fr 7. Jan 2022, 03:35 Vielleicht ist ja auch DAS Aufkärung: einfach kein Buhei mehr darum zu machen.
Korrekt. Eine Enthysterisierung ist nötig. Bei Hanf sowieso, und in ganz vielen anderen Bereichen auch.

Infos haben wir genug; auch seriöse. Die Kunst ist, sie im Wust des Internets zu finden. Diese Kunst nennt sich Medienkompetenz. Hier ist die große Stellschraube, die in eine bessere Zukunft weist. Es ist mal wieder - wen wundert's - die Bildung und Aufklärung, die uns weiter bringen könnte.

Was nun schnell kommen muss: die Entzauberung der Populisten. Diese nutzen das Internet als Echokammer. Mehr noch: sie erschaffen Parallelwelten, die ihre "Follower" vom realen Geschehen in der Welt abschotten. S. zB - als krassestes und gefährlichstes Beispiel - Trump. Nur mittels ignoranter Echokammern kann sich ein psychotischer Narzisst als Heiland generieren. Sobald man ihn an Tatsachen mißt fällt sein Nimbus zusammen.

Die Frage ist also: wie erstellt man eine Informations-Instanz, die von allen als neutral und glaubwürdig akzeptiert wird? Und wie bringt man die Leute dazu, diese Instanz zu nutzen, statt in isolierten Echokammern zu leben?

Mir ist klar, dass wir dabei große Gegenspieler haben: quasi die gesamte Boulevard-Presse, mit ihren Tentakeln bis in renommierte Medienhäuser. Es geht ihnen um Besitzstandswahrung und Einflußnahme. Ich denke schon, dass es so schlicht ist. Einen großen Weltverschwörungsplan "dahinter" sehe ich nicht. Dazu ist es einfach zu durchschaubar und zu primitiv.
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Re: Wie geht Aufklärung?

Beitrag von Freno »

Ich werde mal wieder polemisch: Aufklärung könnte nur so funzen, daß der Studienrat zu seinen Schülern sagt: "Alles, was ich ich Euch erzähle, ist totale sch***e, die nur dazu dient, Euch zu nützlichen Idioten zu machen, also vergesst es gleich wieder !"

Zu den Arkana des Lebens gehört es nun mal, daß man es - hoffentlich rechtzeitig - kapiert, daß die offiziellen Religionen, Ideologien, "Werte" und "wissenschaftliche Erkenntnisse" einer jeden Gesellschaft einfach nur dazu dienen, nützliche Idioten zu fabrizieren, die sich selbst mit ihrer Normkonformität ins Unglück leben und ein menschenwürdiges Dasein nur gegen diese Normen und im Verborgenen möglich ist.
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Steckling
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Re: Wie geht Aufklärung?

Beitrag von Steckling »

Echokammern, Meinungsblasen, die gab es schon seit dem ersten Sorgerechtstreit. Nur rückt es jetzt ins allgemeine Bewusstsein, und das ist prima :) Jetzt nur noch daran gewöhnen, also enthysterisieren (danke für das Wort!), dann sehen wir bereits Fortschritt und Aufklärung live!
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Re: Wie geht Aufklärung?

Beitrag von Freno »

Könnt Ihr Euch noch an "Wir kiffen!" von Stefan Raab erinnern ? :

Ratt-dadd-dadatt-daaaaaah ...

"Helmut Markwort der vom Focus
der raucht heimlich auf dem Lokus
(...)
Friedrich Merz von der Union
klaut das Zeug bei seinem Sohn"

undsoweiter undsoweiter

Es bräuchte einen Klaus Wowereit 2.0, der da als Großmufti der Reichshauptstadt oder wenigstens eine Umweltministerin der Republik Meck-Pomm, die da in die laufenden Kameras hauchte : "Ich kiffe - und das ist auch gut so !" Am besten wäre natürlich so 1 Jens Weidmann von der Bundesbank ... aber genug der Blütenträume !

Letzten September, als es noch sommerlich warm war, hatte ich am frühen Abend ein shooting in der "Spinnerei" in Leipzig. Das ist ne riesige alte Baumwollspinnerei wo jetzt lauter so Ateliers und Theater und Druckerei und kreativ und so ... äh ... ist. Und weil ich viel zu früh drann war (mit dem Fahrrad weiß man ja nie) und da kurz davor auf so einer Innenstadt-Brache mal wieder so ne öffentliche Party war mit trance-Disco-Mucke, bin ich da mal hin. Jede Menge junge Leute, viele Kinder und Hunde, Rumgetanze, Bier und Bratwürste ... und jede Menge stinknormaler Leute, nicht nur die "Langhaarigen" und Alternativen ... neben mir hockten 3 junge Leute im Gras, sahen aus, wie der Führungsnachwuchs von der Volx- und Raiffeisenbank ... und kaum saßen sie, packte einer die Mühle aus und wuselte einen 3-Blättchen-joint ... hab ich natürlich mitgewuselt.

Da fragt man sich: Brauchen wir denn eigentlich noch "Aufklärung" über Cannabis ? Bei uns in Leipzig eigentlich gohrnüscht.
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Cookie
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Re: Wie geht Aufklärung?

Beitrag von Cookie »

Ich war mal bei der Bundespolizei in Koblenz wegen eines IT Projektes (nicht jeder war also Polizist), und als wir mittags essen waren und dann wieder zurück kamen, kamen wir an ein paar Heroin-Junkies vorbei, die sich gerade statt Heroin zu spritzen einen Joint drehten... der eine Kollege sagte daraufhin zum nächsten, dass sie das "gleich den Kollegen sagen müssen, damit sie hier mal aufräumen" - und das, obwohl ich mit jedem Einzelnen bis dahin gern zu Mittag essen war. Doch dann nicht mehr, ich behielt es aber für mich. Worauf ich hinaus will: So lange die Denke so ist, vor allem bei der Bullerei, so lange wird jede vernünftige Aufklärung wirklich Sinn machen!
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Re: Wie geht Aufklärung?

Beitrag von pepre »

Cookie hat geschrieben: So 16. Jan 2022, 10:40 ... So lange die Denke so ist, vor allem bei der Bullerei ...
Auch dort ist eine Echokammer, die den "polizeilichen Blick" teilt. Dazu kommt: "Wer Macht hat wird sie mißbrauchen", ob es Sinn macht oder nicht. Leider auch eine Konstante des Homo Sapiens. Es ist das altbekannte Problem des "Sed quis custodiet ipsos custodes?"

Die Soziologie lehrt uns, das sich in solchen Grupppen immer eine ungute Eigendynamik einstellt, wenn sie "unter sich" bleiben. Das betrifft mittlerweile leider viele Gruppen. Früher konnte man Kritik nicht einfach wegklicken, und das hielt diese Leute noch etwas in der existierenden gesellschaftlichen Breite. Das schwindet aber immer mehr.

Probates Gegenmittel: die Durchsetzung der Gruppen mit "Außenstehenden". Quasi "Praktikanten" aus der Mitte der Gesellschaft, die - ohne negative Konsequenzen für ihren weiteren Berufs- und Lebensweg befürchten zu müssen - Kritik öffentlich machen können, wenn eine Eigendynamik aus dem Ruder läuft. Das ist eine sehr wirkungsvolle Taktik, die Absurditäten frühzeitig abfängt.

Vorsorglich: niemand hat gesagt, dass es einfach wird! ;)
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Re: Wie geht Aufklärung?

Beitrag von Freno »

Feindbilder werden liebevoll gepflegt, zB das Feindbild der Kiffer von den "Bullen". Ich werde nicht müde zu wiederholen: der Bundesverband Deutscher Kriminalbeamter fordert schon seit über 10 Jahren die Legalisierung von Cannabis - weil dort schon längst angekommen ist, daß Kiffer in ihrer ganz überwiegenden Mehrzahl ganz normale "sozial integrierte" Leute sind und das umgekehrte Feindbild von "assozialen Elementen", der "Einstiegsdroge" usw usw auch nicht stimmt, daß von vielen Autoritäten und Institutionen bis zu den C-Parteien bis heute immer noch gepflegt wird.

Die Strafverfolgungsbehörden sind an das Legalitätsprinzip gebunden - Handlungen, die vom Gesetzgeber als Straftaten definiert worden sind, müssen von den Strafverfolgungsbehörden verfolgt werden, so oder so, auch dann, wenn man bei den Strafverfolgungsbehörden die Überzeugung gewonnen hat, daß gewisse Straftaten - in der Regel Verbote - völlig unsinnig, gar kontraproduktiv sind. Die Strafverfolgungsbehörden stehen bis zum Hals in der Praxis und sind in der Regel für ihren Job - vom "Streifenhörnchen" bis zum Gerichtspräsidenten - sehr gut ausgebildet.

Die Leute, die "Poltik machen", diese Verbote erlassen oder aufheben, sind dagegen in der Regel komplette Ignoranten. Luzide war einmal die erfrischende Antwort des (verstorbenen) FDP-Politikers Möllemann, der unter Kohl in den 1990er Jahren gerade zum Wirtschaftsminister ernannt worden war, auf die Frage, was er denn als gelernter Volksschullehrer von Wirtschaft verstünde - die Antwort des frisch gekürten Wirtschaftsministers: "Ich verstehe überhaupt nichts von Wirtschaft - aber ich habe mir ein Buch gekauft !"

"Aufklärung" ist auch in der anderen Richtung von Nöten ! "Der Feind" ist nicht "der Bulle", sondern der Vollidiot in "der Politik", dessen einzige Kompetenzen Demagogie und Intrige sind.
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Re: Wie geht Aufklärung?

Beitrag von Cookie »

Von welchem Feindbild sprichst Du denn? Es waren nicht mal "Bullen" dabei, sondern Zivilangestellte, trotzdem arbeiteten sie für die Polizei und haben sich deren "Gewohnheiten" zu eigen gemacht. Außerdem habe ich es live und in Farbe mitbekommen, es war also keine "Einbildung eines Kiffers"! Legalitätsprinzip? Gilt hier nicht. Haben sie darüber nachgedacht, dass das, was sie vorhaben, wesentlich gesünder ist als das, was die "Delinquenten" normalerweise machen? Leider nein.
Zuletzt geändert von Cookie am Di 18. Jan 2022, 08:55, insgesamt 3-mal geändert.
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Re: Wie geht Aufklärung?

Beitrag von pepre »

Freno hat geschrieben: Mo 17. Jan 2022, 20:21 ... der Bundesverband Deutscher Kriminalbeamter fordert schon seit über 10 Jahren die Legalisierung von Cannabis
Für eine Legalisierung sind idR Leute mit höherer Bildung. Das ist in der Polizei nicht anders als in der Gesellschaft.

Es gibt aber auch Problemviertel mit dem dort vorherrschenden Dreiklang aus Gewalt, Drogen und Bildungsferne. Wenn du dort als "Streifenhörnchen" eingesetzt wirst, dann lernst du: Dope findet sich fast immer. Das prägt dein Weltbild. Es findet keine intellektuelle Analyse statt, ob das Polytoxer sind. Es ist ein Problemviertel und die Delinquenten kiffen. Punkt. - Ich kenne ein paar Kriminaler, die mir genau diese Eigendynamik des "polizeilichen Blicks" bestätigt haben. Und Polizeireviere, die in Problemvierteln angesiedelt sind, haben eine starke Tendenz selbst zu Problem-Revieren zu werden. - Ganz normale rekursive, soziologische Mechanismen sind das. Leider.
"Der Feind" ist nicht "der Bulle", sondern der Vollidiot in "der Politik", dessen einzige Kompetenzen Demagogie und Intrige sind.
Da sind wir uns einig. "Divide et impera" funktioniert halt einfach sehr gut, und die populistischen Politiker nutzen das. Und davon gibt es leider immer mehr.
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Re: Wie geht Aufklärung?

Beitrag von Freno »

@ prepe

Die bundesdeutschen slums - meist als "soziale Brennpunkte" oder "Beobachtungsgebiete" euphemisiert - habe ich in der ostzonalen Variante in Leipzig kennengelernt: Leipzig-Grünau ist eines der größten geschlossenen Plattenbaughettos des real existierenden Sozialismusses und wird hier im Volxmund zutreffend "Blockistan" genannt. Von der Stadtverwaltung und "den Intellektuellen" wird das heruntergespielt, teils des Renommées, teils der Gutmenschlichkeit wegen ... Dort herrscht ein unerklärter Krieg und in diesem Rahmen, quasi als Kriegslist, wird Cannabis instrumentalisiert nach der Melodie von "Der Richter und sein Henker" von Dürrenmatt: wenn man denen, die man wegen brutaler Straftaten auf dem Kieker hat, aber ihnen nix nachweisen kann, das Handwerk legen will, nutzt man jede Möglichkeit und die Gerichte, die auch nicht dümmer sind, als die Bullerei, gehen das in der Regel mit. Al Capone hat auch nicht wegen Mord, Erpressung oder krimineller Vereinigung gesessen - sondern wegen Steuerhinterziehung.

Meine Sicht auf die Bullerei ist eben eine andere, eher positive - im Gegensatz zum "comon sense" hier in diesem Forum. Ich vermute, daß beruht auf unterschiedlichen Lebenserfahrungen. Okay - Arschlöcher gibt es überall, also auch bei der Bullerei, aber sie sind verhältnismässig selten und werden regelmässig unter "sozialer Kontrolle" gehalten, weil sie nämlich nix als Ärger veranstalten: Ermittlungsverfahren und Strafprozesse, bei denen nix herauskommt, sondern oftmals sogar Schadensersatzansprüche gegen die Staatskasse.

Polizisten auch in den niederen Rängen werden regelmässig hochqualifiziert fortgebildet und sammeln eine ganz aussergewöhnliche "Lebenserfahrung" an. Sie erleben tagtäglich Menschen in Stress- und Ausnahmesituationen - das bildet ungemein. Ein "Streifenhörnchen" mit 10 Jahren Berufserfahrung weiß weitaus mehr über die soziale Realität in diesem unserem Lande, als jeder promovierte Diplom-Soziologe.

Wissen wird nicht durch akademische "Wissenschaft" geschaffen - sondern durch konkret-praktische Auseinandersetzung mit dem "realen Leben", der Arbeit an der "matérie inerte" iSv Sartre.
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Re: Wie geht Aufklärung?

Beitrag von Cookie »

Schon richtig, "Arschlöcher gibt es überall, also auch bei der Bullerei", aber ich glaube dass Du etwas grundsätzlich missverstehst, wenn Du meinst es sei "common sense hier in diesem Forum", dass alle so denken bzgl. der Polizei - auch hier in diesem Forum ist das nicht der Fall, im Gegenteil. Es gibt nur einige Bereiche, in denen würden wir uns mehr Anstand wünschen und keine Machtspielchen. Allerdings glaube ich leider auch, dass die Vernünftigen bei der Polizei eher die Minderheit darstellen, zumindest sagt mir das meine Erfahrung, aber auch die kann das Ergebnis meines falschen Eindrucks sein. Wer weiß.

Was aber auffällt, sind die bisweilen dämlichen Stimmen aus jener Richtung, die geradezu nach Aufklärung schreien... wenn die nicht wären, würden wir allgemein anders denken. Jede Wette ;).
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