Es kommt auf die Definition von Dummheit an. — Zudem stehen wir vor einem echten Problem: das Wissen ist expotentiell angewachsen. Den Universalgelehrten gibt es nicht mehr. Heutzutage wäre er eher in der Rolle eines Supervisors zwischen den Disziplinen. Eigentlich müsste die Politik diese Rolle spielen, aber die ist primär mit sich selbst beschäftigt, bzw sie läßt sich von Lobbyisten und Medien am Nasenring durch die Manege ziehen.
Dumm ist mMn, wer Fakten leugnet. Es ist egal, wie komplex das Gedankengebäude ist, das dieses Leugnen "begründet". Auch ansonsten sehr intelligente Menschen können sich in so einem Trugbild verstricken. Auf der anderen Seite: schlau ist in diesem Sinne, wer permanent sein Weltbild gegen die Fakten mißt. Es ist gar nicht so einfach - aufgrund der schieren Masse an Informationen - die Faktenlage zu ermitteln. Nur zu oft pickt man sich nur die ins eigene Weltbild passenden Fakten heraus, und ignoriert den widersprechenden Rest (s.o.: Erhalt des Selbstwertgefühls). Und schon steckt man in der Falle einer Ideologie, die idR dann auch gar nicht mehr hinterfragt wird.
Es ist überhaupt nicht gut, wie die Welt zZt organisiert ist: "erfolgreich" wird genannt, wer Gewinn erwirtschaftet. Und dies im eigenen Fachbereich. Welche Auswirkungen dieses Handeln in andere Fachbereiche hat spielt idR keine große Rolle. Von daher stimme ich der These "eine Welt von Fachidioten" zu. Aber das ist eine logische Konsequenz aus der Ideologie des Neoliberalismus, der sich leider überall breit gemacht hat.
Die althergebrachte Form von "Wissen" nützt uns nur wenig in der ggw zivilisatorischen Situation. Viel mehr braucht es interdisziplinäres Denken, das leider nur sehr langsam an den Universitäten Einzug hält. Aber es geschieht. Interessanterweise passiert dies parallel zur naturwissenschaftlichen Erkenntnis, dass kooperative Systeme a) viel verbreiteter sind als angenommen und b) diese auch noch erfolgreicher sind als konkurrierende.
Noch: "Führer" haben der Welt summa summarum nur Unheil beschert. Dies umso ausgeprägter, je zentralistischer das System ist, das sie führen. Dringend geboten wäre eine generelle Dezentralisierung mit Verflachung der Hierarchien. Das stellt die Leute natürlich auch mehr in die Selbstverwaltung und Eigenverantwortung. Aber daran wachsen sie, zumindest die meisten. Jedenfalls ist die fortwährende Akkumulation von Macht und Kapital ein fundamentaler Irrweg, der nur einer egozentrierten Elite zugute kommt (die mit Lobbyismus und Einflußnahme auf die Medien den Status Quo zu halten trachtet).
Auch der Kassierer an der Supermarktkasse mit einem IQ von 80 ist nicht dumm per se. Er lebt sein Leben im Rahmen seiner Möglichkeiten. Fatal ist, dass er das hetzerische Gerede von Alphas und Eliten glaubt, die ihm Ängste einreden, um ihn für ihre selbstsüchtigen Ziele einzuspannen¹. Er glaubt das, denn ein Faktencheck ist viel zu komplex für ihn. Aber das ist nicht seine Schuld, er ist ein Opfer.
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¹ Oft mit den Argumenten: die böse Nachbarhorde will dir deine Bananen wegnehmen und dein Revier besetzen. Funktioniert halt umso besser, je schlichter die analytischen Fähigkeiten des Opfers sind. Aber auch Geistesgrößen sind dagegen nicht gefeit, s.o.: "Bauchgefühl".